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Indien Partnerschaft

Partnerschaft zu Kirchengemeinden der Tamil-Evangelic-Lutheran Church (TELC)

Indien – so groß und vielfältig wie Europa, so laut und überfüllt und zugleich mit vielen Orten der Stille und der Meditation. Indien – ein Land, dessen Kultur für uns so fremdartig ist und zugleich von westlichem Konsum und Lifestyle zur Zeit überschwemmt wird, ein wirtschaftlich aufstrebendes Land  mit ländlichen Regionen, in denen die Zeit vor hundert Jahren stehen geblieben zu sein scheint. Indien – ein Land, das Europäer zugleich fasziniert und erschreckt, ein Land, das für Toleranz zwischen den Religionen steht und in dem es trotzdem immer wieder so leicht zu religiös angeheizten Ausschreitungen kommt, ein Land mit enormen Unterschieden zwischen Arm und Reich, Mann und Frau. Viele Konzerne und Organisationen sind darum besorgt, Partner in Indien zu finden, die Ihnen helfen, dieses großartige Land zu verstehen. Und auch für uns Christen ist es gut, in diesem Land Menschen zu haben, mit denen uns etwas verbindet: ein gemeinsamer Glaube, der Türen und Herzen öffnet. 
„Vanakam“ – so begrüßt und verabschiedet man sich auf tamil, und so schallt es uns auch aus unseren Partnergemeinden entgegen. Ja, es gibt Christen in Indien, zwar nicht viel, aber in den südlichen Bundesstaaten immerhin bis 10% der Bevölkerung. Und die haben eine lange Tradition. Manche führen sich sogar auf den Apostel Thomas zurück. Die Tamil-Evangelic-Lutheran Church, die sich über den größten Teil des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu erstreckt,  bezeichnet sich selber als die erste evangelische Kirche auf indischen Boden. Sie ist aus der Mission von zwei deutschen Pfarrern um 1715 entstanden, die entgegen der Weisung des damaligen Kolonialherren, des dänischen Königs, die Tamilen des Evangeliums für würdig hielten, und Bibel, Buchdruck und Diakonie nach Indien brachten. Aus diesen Anfängen ist eine selbstbewusste Kirche entstanden, mit der sich eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ anbietet. 
Die ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig und die TELC verbindet seit den 70er Jahren eine Partnerschaft, die mit Hilfe des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen (ELM) in Hermannsburg entstanden ist. Ihre Geschichte der Partnerschaft ist eng mit dem Namen von OLKR Henje Becker, dem „100-Kapellen-Projekt“, vielen indischen Austauschpastoren  und langjährigen Partnerschaften verbunden, wie z.B. zwischen dem Diakonissenhaus in Thanjavore und dem Marienstift. Viele dieser Partnerschaften haben aber heute an Intensität verloren. Neue sind entstanden.
Die Partnerschaft der Propstei Königslutter existiert seit 2007 und erstreckt sich über vier Kirchengemeinden: Subramaniapuram (eine Großstadtgemeinde in Trichy/Tiruchirapalli), Thiruverumbur (eine Gemeinde im Umland von Trichy mit viel Industrie), Tirukattupalli und Budalur (zwei Landgemeinden zwischen Trichy und Thanjore). Alle Gemeinden liegen in der fruchtbaren Ebene des Kaveri, des größten Flusses in Tamil Nadu. Besonders in den Landgemeinden leben bis 80% der Gemeindeglieder unterhalb der Armutsgrenze. Ungefähr 50% der Kinder müssen für das Familieneinkommen mitarbeiten. 
Das geschieht vor allem durch persönliche Kontakte. 2007, 2013 und 2019 war eine Delegation aus unserer Propstei in den südindischen Partnergemeinden, 2010 und 2016 war eine indische Delegation bei uns in den Gemeinden der Propstei. Die nächste Begegnung in Deutschland ist für Juni 2023 geplant. Auf diesen Reisen gab es viele persönliche Begegnungen und Erlebnisse, die zu Herzen gingen. Es war beeindruckend, den lebendigen Glauben unserer Partnergemeinden zu erleben, ihre Art zu denken und zu glauben durch Zuhören und Austausch (auch über Probleme) verstehen zu lernen. So bekamen auch wir für unseren Glauben viele Rückfragen und Anstöße, die wir nach unserer Rückkehr in unseren deutschen Gemeinden versuchten weiterzugeben. 
Zum Beispiel: In den Partnergemeinden begegnete uns eine Kultur des Segnens sowohl im Gottesdienst, als auch im Alltag (bei Hausbesuchen). Wie können wir die Schätze, die in diesem Ritual ohne viel Worte verborgen sind, auch bei uns mehr heben? Sollten wir nicht mutiger werden, persönliche Segnungen bei uns in Gottesdiensten anzubieten und auch im privaten Alltag mehr zu praktizieren? Das Verhältnis von Männern und Frauen und die hohe Bedeutung von Familie waren ebenfalls Themen, mit denen wir mit unseren indischen Partnern ins Gespräch kamen. 
Zwischen den Begegnungen wird der Kontakt über regelmäßigen E-Mail-Verkehr, den Austausch von Gebetsanliegen und Veranstaltungen mit indischen Gästen unseres Missionswerkes aufrecht erhalten. Zu Corona-Zeiten mussten Begegnungen leider verschoben werden. Dafür fanden gemeinsame Gottesdienste online statt. 
Ab und zu sind gerade in den indischen Landgemeinden auch finanzielle Hilfen, z.B. bei defekten Kirchendächern, angebracht. Insgesamt sind die Gemeindepartnerschaften aber kein „Zahlen-und-Empfangen-Verhältnis“. Mit Hilfe des Missionswerkes, die Projekte in der TELC fördert, sehen wir sehr genau hin, wo Unterstützung angebracht ist, und wo eigene Ressourcen vorhanden sind. 2019-2020 haben wir z.B. eine Grundschule in dem Dorf Thiruppanturitti unterstützt. Aus baulichen Gründen stand die Schule vor der Schließung. Die Kinder (meist Kinder von armen Landarbeitern) hätten zur Schule in Nachbarorte weit fahren müssen. Das Fahrgeld wäre für die meisten Eltern nicht erschwinglich gewesen. Der Erhalt der Schule schien uns deswegen sinnvoll. Mit Hilfe von Spenden konnten Küche und Klassenzimmer renoviert und das Gelände zum Schutz vor Schlangen mit einer Mauer umgeben werden.
Wir wollen nun, nachdem wir uns über Kultur-, Sprach- und Landesgrenzen hinweg kennengelernt haben, verstärkt thematisch arbeiten. Es gibt viele Problemkreise, die sowohl uns als auch unsere Partner in Indien betreffen, und bei denen es wertvoll ist, die Situation, die Gedanken, die Empfindungen und die Lösungsansätze bei den jeweils anderen Partnern zu erfahren. Wir haben dabei folgenden Themen vor Augen: Unterschiedliche Entwicklungen im städtischen und ländlichen Raum; wie können Kirchengemeinden darauf reagieren? – Umgang mit Minderheiten: Wie fühlen sich unsere Partner als christliche Minderheit in einem multireligiösen Land? Wie gehen wir als Mehrheit mit religiösen Minderheiten bei uns um? Welche Strategien gibt es in unseren Ländern, mit Minderheiten umzugehen. Was bedeuten Respekt, Toleranz und Gerechtigkeit in diesem Kontext?  
So empfinden wir die Beziehung zu unseren indischen Partnergemeinden, als ein lebendiges Miteinander und ein gegenseitiges Begleiten im Glauben, im Gebet und im Wirken als Kirche in dem jeweiligen Land. Das ist ein Schatz, den wir auch weiter mit Gottes Hilfe heben wollen.
 

Im Namen des Indien-Arbeitskreises,  Lothar Voges.
Kontakte:     Lothar Voges, privat: Kirchweg 1, 38162 Cremlingen, 05306 2387; 
dienstlich: Dammwiese 8a, 38110 Braunschweig, 05307/5772, lothar.voges@lk.-bs.de