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23.01.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 725

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie wieder einmal ein großes Chorwerk: Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“, unmittelbar im Anschluss an die ersten erfolgreichen Aufführungen der „Schöpfung“ komponiert, stand stets im Schatten des für Jahrzehnte maßstabsetzenden Schwesterwerks. Dabei changieren „Die Jahreszeiten“ mehr noch als „Die Schöpfung“ zwischen volkstümlichem Singspiel und großem Oratorium. So beeindruckt das Werk, das bis heute zum Kernrepertoire der Gattung gehört, mit seinem überwältigenden Reichtum an musikalischen Charakteren und seiner ungeheueren formalen Vielfalt. Kaum ein anderes Oratorium vermag es bis heute, sein Publikum mit vergleichbarem Abwechslungsreichtum zu fesseln.

Joseph Haydns zweites und letztes großes Oratorium "Die Jahreszeiten" entstand in den Jahren 1799/1800 und wurde am 24. April 1801 in Wien uraufgeführt. Als Libretto liegt dem Werk ein englischer Text zugrunde: "The Seasons" von James Thomson, ein moralisierendes Lehrgedicht der Aufklärungszeit, das Haydns Freund und Berater, Gottfried van Swieten, ins Deutsche übertragen und den musikalischen Erfordernissen angepasst hat. Auch in diesem Werk zeigt sich Haydns vollendete kompositorische Meisterschaft. Die Synthese aus dem eigenen Instrumentalstil der späten Sinfonien - verbunden mit dem barocken Pathos Händel'scher Oratorien - und volkstümlich-liedhafter Melodik bedeutete nicht nur einen neuen Oratorientyp, sondern auch einen Höhepunkt der Wiener Klassik.

Die vier Jahreszeiten werden aus der Sicht des bäuerlichen Lebens geschildert. Die vier großen Teile des Werkes bestehen vor allem aus der Beschreibung der jeweiligen Jahreszeit unter Einschluss mehrerer Szenen aus dem Landleben. Der Text wird von drei Personen - dem Pächter Simon, seiner Tochter Hanne und dem jungen Bauern Lukas - im Wechsel mit dem Chor der Bäuerinnen, Bauern und Jäger vorgetragen. Eine durchgehende Handlung gibt es nicht; das Werk besteht aus vier in sich geschlossenen Kantaten. Die lebhafte Schilderung des alljährlichen Erblühens, Wachsens, Reifens und Vergehens in der Natur gipfelt in der tröstlichen Hoffnung des Schlusschores auf die ewige Herrlichkeit, die durch Gottes Allmacht sichtbar wird.

Der Frühling, der erste Teil des Oratoriums, ist die Zeit der Saat und der Hoffnung. Im Vorspiel zeigt der sich zurückziehende Winter noch einmal seine stürmische Macht. Doch mit "Komm, holder Lenz" hat sich der Frühling endgültig durchgesetzt. Es folgen ländliche Szenen und Gebete und eine kontrapunktisch reiche Fuge "Uns sprießet Überfluss". Der Frühling endet mit einer machtvollen Fuge zum Lob Gottes.

In der Einleitung zum Sommer bricht das Morgenlicht an; der Hahnenschrei begrüßt den neuen Tag. Anschließend steht die Sonne im Mittelpunkt; doch wird ihre Glut so groß, dass Mensch und Tier darunter leiden und Zuflucht im schattigen Hain suchen. Die Schwüle entlädt sich schließlich im Gewittersturm. Nachdem sich das Ungewitter verzogen hat, klingt der Sommer friedlich-heiter aus.

Der Herbst erzählt von Ernte, Jagd und Weinlese. Die Freude über die reiche Ernte führt zum Lobgesang auf den Fleiß. Ein Liebesduett zwischen Hanne und Lukas schließt sich an; dann folgen lautmalerische Jagdszenen. Der Schlußchor des Herbstes stimmt das Loblied auf den Wein an; alles endet in einem ländlichen Tanzvergnügen, verbunden mit einem derben und lautstarken Trinkgelage.

Der Eintritt des Winters kündigt sich an: durch Nebel, Eis, Schnee und Dunkelheit. Er bringt die Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens. In der Kälte irrt ein einsamer Wanderer umher und findet dann das Licht und die Behaglichkeit einer Spinnstube. Dort sitzen die Mädchen und Frauen am Spinnrad und singen lustige Lieder. Doch in der Arie "Erblicke hier, betörter Mensch" fällt der Blick wieder auf die Vergänglichkeit des Lebens und auf das Jenseits zurück. Die Schlussfuge "Uns leite deine Hand, o Gott" ist der hymnisch krönende und zugleich zuversichtliche Abschluss der Jahreszeiten.

Die erste Aufführung am 24. Mai 1801 im Palais Schwarzenberg war eine Veranstaltung im privaten Rahmen durch die von van Swieten gegründete „Gesellschaft der associierten Cavaliers“ (Gruppe musikalisch interessierter Adeliger, die mit ihren Oratorienaufführungen zu einem wichtigen Faktor im zeitgenössischen Wiener Musikleben wurde). Kurz danach folgte eine öffentliche Aufführung im Redoutensaal der Wiener Hofburg.

Der heutige Mitschnitt stammt von den Salzburger Festspielen. 2013 musizierten im Großen Festspielhaus Dorothea Röschmann (Hanne), Michael Schade (Lukas), Florian Boesch (Simon), die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd