Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
in der heutigen Ausgabe steht wieder einmal ein Chorstück im Mittelpunkt. Es zählt zu den besonders groß besetzten Werken, und es nicht übertrieben, es als bombastisch zu bezeichnen: Das Te Deum op. 22 von Hector Berlioz.
Das Te Deum entstand 1849 in Paris, kurz nach Berlioz’ erstem Besuch in England und zu einer Zeit, als politische Unruhen in Frankreich für Künstler und Musiker die Zukunft sehr unsicher erscheinen ließ. Bei der Komposition hatte Berlioz keinen besonderen Anlass im Sinn, er hoffte jedoch, dass das Stück zu einem großen zeremoniellen Staatsakt eingesetzt würde.
Eine solche Gelegenheit schien näher zu rücken, nachdem Napoleon III. die Macht ergriffen hatte. Doch schließlich musste Berlioz bis 1855 warten, bevor er das Werk aufführen konnte. Dies geschah anlässlich der Eröffnung der Exposition Universelle am 30. April 1855 in der Kirche St. Eustache in Paris, nicht weniger als 900 Mitwirkende waren an der Uraufführung beteiligt. Es war die einzige Aufführung zu Berlioz’ Lebzeiten, sieht man von einigen Auszügen in späteren Konzerten ab. Die Partitur wurde 1855 mit einer Widmung an Prinz Albert, den Gemahl von Königin Victoria, veröffentlicht.
Vielfach steht Berlioz in der Kritik, seine Werke seien zu schwerfällig und aufgrund der Vielzahl der Mitwirkenden kaum spielbar. Neben dem Requiem gehört das Te Deum zu seinen großen Kompositionen, die an Monumentalität kaum zu überbieten sind und in ihrer Entstehungszeit die Musik revolutionierten. Berlioz widmete das Werk Napoléon Bonaparte und legte diese Komposition entsprechend groß an: Drei Chöre, davon zwei gemischte und ein Knabenchor, ein Solo-Tenor, Orgel und ein großes Orchester.
Berlioz bediente sich des frühmittelalterlichen kirchlichen Te Deum-Hymnus, stellte den Text aber aus dramaturgischen Gründen leicht um und unterteilte ihn in sechs Abschnitte, die er abwechselnd als "Hymne" und "Gebet" bezeichnete. Das Werk beginnt mit fünf gewaltigen Akkorden, die abwechselnd von Orchester und Orgel gespielt werden. Sie gleichen einem Dialog zwischen weltlicher Herrschaft und alter kirchlicher Pracht. Danach setzt der Chor mit dem Hauptthema des ersten Abschnitts ein.
Einer der Höhepunkte in Berlioz‘ Te Deum ist das Sanctus im 2. Satz. Dieser Abschnitt wird dreifach gesteigert wiederholt. Dabei übernehmen im ersten Anlauf die Frauenstimmen die Engel, Cherubim und Seraphim. Die Apostel, Propheten und Märtyrer im zweiten Anlauf werden von den Tenören besungen, während die Bässe die lobpreisende Kirche auf dem Erdenrund verkörpern. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2000 in Sydney wurde dieser Abschnitt zum Entzünden des Olympischen Feuers eingespielt.
Ähnlich wie bei seinem Requiem verwendete Hector Berlioz auch im Te Deum Elemente aus der Messe solennelle, die er als 20-jähriger geschrieben, später aber verworfen hatte. So ist das "Tu Christe, rex gloriae" im Te Deum aus dem "Resurrexit" der Messe entnommen.
Eine weitere Gemeinsamkeit von Requiem und Te Deum ist die Verwendung einer Solostimme in lediglich einem Satz der Komposition. Im "Te ergo quaesumus" ist es ebenfalls ein Tenor, der den abschließenden Teil der Bitten im Hymnus mit einer Arie einleitet, die an einigen Stellen vom Chor begleitet wird. Im letzten Satz erfährt das monumentale Werk noch einmal eine glanzvolle Krönung.
Am 12. September 1992 wurde das Berlioz-Te Deum in der Frankfurter Alten Oper aufgeführt, die Mitwirkenden waren José Carreras (Tenor), Martin Haselböck (Orgel)
die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, der Philharmonische Chor Prag, der Tölzer Knabenchor und die Wiener Philharmoniker, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feierten; die Gesamtleitung hatte Claudio Abbado:
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler