Suche

Musik in schwierigen Zeiten Ansicht

04.10.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 382

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

unser heutiges Musikwerk lässt viele Leser*innen vielleicht ihren Vorrat an Süßwaren überprüfen, denn einer der Hits aus Verdis "Rigoletto" ist die berühmte Arie "La donna è mobile", die auch als Werbemusik für einen beliebten Schokoladenartikel herhalten musste. Als Einstimmung in die heutige Ausgabe folgt hier zunächst die Fälschung...:

www.youtube.com/watch yuMmY

...und gleich hinterher das Original mit Juan Diego Florez und dem Los Angeles Philharmonic unter der Leitung von Gustavo Dudamel, aufgezeichnet 2010 in der Walt Disney Concert Hall:

www.youtube.com/watch

Ein anderer Höhepunkt der Oper, auf den ich gerne vorab hinweise ist das Quartett "Bella Figlia Dell'Amore" - hier zu sehen in einem Ausschnitt aus einem Gala-Abend in der New Yorker MET aus dem Jahr 1987 mit Joan Sutherland, Luciano Pavarotti, Isola Jones und Leo Nucci, die musikalische Leitung hat Richard Bonynge:

www.youtube.com/watch

Nun aber zum ganzen Werk: Als Victor Hugo 1832 in Paris sein Stück "Le roi s’amuse" zum ersten und vorerst letzten Mal auf die Bühne brachte, endete die Aufführung mit dem sofortigen Verbot des Stücks. Als sich Giuseppe Verdi, der Komponist des italienischen Risorgimento, anschickte, das Stück des revolutionär gesinnten französischen Schriftstellers zu vertonen, stieß auch er noch knapp 20 Jahre später auf den Widerstand der Zensurbehörden.

Zwar musste er sein Melodramma von "La maledizione" ("Der Fluch") in "Rigoletto" umtaufen und den Schauplatz an den Hof eines fiktiven Herzogs von Mantua verlegen, doch ließ er die Handlung und ihre Krassheit unangetastet: Der Herzog von Mantua liebt das Vergnügen und die Frauen. In seinem Hofnarren Rigoletto hat er einen zynischen Handlanger, denn dem Buckligen ist nichts und niemand heilig - außer Gilda, sein einziges Kind. Um sie vor den Nachstellungen seines Herrn zu bewahren, hält er sie vor aller Welt verborgen. Doch der Fluch des Grafen von Monterone, dessen Tochter vom Herzog entehrt wurde, fällt auf Rigoletto, und ein brutales Schicksal nimmt seinen Lauf… - wie immer finden Sie den detaillierten Inhalt am Ende dieses Newsletters.

In Verdis erstem Werk der Reifezeit bedingen sich so Triviales wie Groteskes und hohes Pathos gegenseitig. Die Kontraste aus greller Bandamusik und expressivsten Kantilenen formen ein kompromissloses Meisterwerk, das in ungeheurer Knappheit und Schärfe über das Publikum hereinbricht. "Rigoletto", 1851 am Teatro La Fenice in Venedig mit triumphalen Erfolg uraufgeführt, ist  noch immer eines der berührendsten und gleichsam schauerlichsten Werke der Opernliteratur und begründete Giuseppe Verdis Weltruhm als unumschränkter Herrscher über die italienische Oper. Er selbst glaubte, nie wieder etwas so Schönes schaffen zu können.

Meine Empfehlung für eine komplette Aufführung kommt heute aus der Dresdner Semperoper: Im Juni 2008 inszenierte Niklaus Lehnhoff dort Verdis Meisterwerk, zu sehen sind in den Hauptpartien Juan Diego Flórez (Herzog von Mantua), Željko Lučić (Rigoletto), Diana Damrau (Gilda), Markus Marquardt (Herzog von Monterone) und Georg Zeppenfeld (Sparafucile); der Chor der Sächsischen Staatsoper und die Sächsische Staatskapelle Dresden stehen unter der Leitung von Fabio Luisi:

www.youtube.com/watch cmYK DGHM

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler


Handlung

1. Akt
Bei einem Fest erzählt der Herzog von Mantua, dass er seit Wochen einer ihm unbekannten jungen Frau nachstellt. Treue findet er lächerlich, für ihn sind alle Frauen attraktiv. Gerade hat er, angestachelt von seinem Hofnarren Rigoletto, Gräfin Ceprano im Visier. Marullo berichtet den anderen Höflingen von seiner neuesten Entdeckung: Der hässliche Rigoletto scheint eine Geliebte zu haben. Da Rigoletto am Hof verhasst, jedoch unangreifbar ist, wollen sich die Höflinge - unter Anführung von Graf Ceprano - an ihm rächen und planen die Entführung seiner vermeintlichen Geliebten. Als Rigoletto den Grafen Monterone, der den Herzog wegen der Entehrung seiner Tochter anklagt, verhöhnt, verflucht Monterone den Despoten und seinen zynischen Funktionär.
Auf dem Heimweg begegnet Rigoletto dem Auftragsmörder Sparafucile. Als der ihm unvermutet seine Dienste anbietet, zeigt sich Rigoletto interessiert. In Sparafucile erkennt er sein eigenes Spiegelbild, beide sind sie Außenseiter. Beunruhigt von Monterones Fluch macht Rigoletto die Gesellschaft und sein zweifelhaftes Metier verantwortlich für seine eigene Bösartigkeit.
Bei seiner Tochter Gilda, die er, abgeschieden von der Welt, versteckt hält, will Rigoletto alles Glück finden, das ihm das Leben verwehrt. All ihren Fragen nach ihrer und seiner Identität weicht er aus. Aus Angst, sie zu verlieren, verbietet Rigoletto seiner Tochter außer dem Kirchgang jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Dennoch macht ihr heimlich ein junger Mann den Hof. Es ist der Herzog, der sich als mittelloser Student ausgibt. Als Rigoletto das Haus verlässt, bestürmt der Herzog Gilda mit Liebeserklärungen, die ihre Mädchenträume scheinbar wahr werden lassen. Lärm auf der Straße zwingt den Herzog zum Aufbruch: Die Höflinge kommen, um Rigolettos "Liebchen" zu entführen. Rigoletto, durch eine Maske blind gemacht, unterstützt sie sogar dabei - im Glauben, dass die Gräfin Ceprano geraubt werde. Zu spät erkennt Rigoletto die Wahrheit.

2. Akt
Der Herzog findet das Haus Rigolettos verlassen vor. Er klagt um die verlorene Geliebte, für die er erstmals tiefe Zuneigung zu empfinden glaubt. Am Hof erfährt er, dass Gilda von seinen Höflingen in den Palast verschleppt worden ist, und eilt zu ihr. Verzweifelt sucht Rigoletto nach seiner Tochter, doch die Höflinge lassen ihn ins Leere laufen, selbst als er ihnen eröffnet, dass sie nicht seine Geliebte, sondern seine Tochter entführt haben. Als der Herzog Gilda fortschickt, versucht sie sich ihrem Vater anzuvertrauen. Doch Rigoletto denkt nur noch an blutige Rache.

3. Akt
Um Gilda endlich von ihrer Liebe zum Herzog »zu heilen«, führt Rigoletto sie zum Hause Sparafuciles und zwingt sie mitanzusehen, wie sich der Herzog mit der Prostituierten Maddalena (Sparafuciles Schwester) vergnügt. Rigoletto schickt seine Tochter fort, um die gemeinsame Flucht vorzubereiten, und beauftragt Sparafucile, den Herzog zu töten. Doch Gilda kehrt heimlich zurück und wird Zeugin, wie Maddalena ihren Bruder überredet, anstelle des Herzogs den Erstbesten zu ermorden, der vor Mitternacht vorbeikommt. Da steht Gildas Entschluss fest, sich für ihre Liebe zu opfern. Sie klopft an die Tür.
Ein wenig später übergibt Sparafucile Rigoletto die Leiche in einem Sack. Im Augenblick seines größten Triumphes - Rigoletto fühlt sich als allmächtiger Rächer - hört er die Stimme des Herzogs. Entsetzt öffnet er den Sack und sieht seine sterbende Tochter. Ohne den Lauf der Dinge zu verstehen, macht Rigoletto den Fluch Monterones für die Tragödie verantwortlich.

Beitrag von sd