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17.05.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 629

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Musik von Johann Sebastian Bach erwartet Sie in der Ausgabe zum Pfingstfest: Die Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied" BWV 225.

Im Schaffen Bachs nehmen seine Motetten eine Sonderstellung ein. Gehören sie doch zu einer Werkgattung, deren Blütezeit bereits vergangen war. Gemäß seinem Leitspruch „Es muss alles möglich zu machen seyn“, schuf Bach Kronjuwelen der Musikliteratur, die auch für seine Söhne und Schüler einzigartige Vorbilder waren.
In den regulären Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen hatten Bachs Motetten keine Funktion, der Thomanerchor sang kürzere und einfachere Werke von anderen Komponisten aus dem Notenfundus des Chores.

Die meisten der insgesamt sechs Motetten komponierte Bach wohl für Beerdigungen, wenn verdiente und zugleich wohlhabende Leipziger Bürger zu Grabe getragen wurden. Zudem waren die Kompositionsaufträge für Bach eine lukrative Nebeneinnahme. Den traurigen Anlass hört man den Werken kaum an, vor allem nicht bei „Singet dem Herrn“. Gerade der fröhliche Charakter der Motette und der positive Text lassen bis heute Musikwissenschaftler zweifeln, ob Bach die Motette wirklich für eine Beerdigung schrieb. Gesichert ist nur der Entstehungszeitraum um 1726.

Textliche Grundlage sind Zitate aus Psalm 149 und 150. Thema ist das Lob Gottes, der Beter des Psalms besingt freudig die Wundertaten Gottes und fordert die Menschen auf, ebenfalls Gott zu loben. Zwischen den Psalmzitaten vertonte Bach den Text des Kirchenliedes "Nun lob mein Seel, den Herren". Dieser Teil der Motette ist viel ruhiger gestaltet, zwischen den virtuosen und kontrapunktisch anspruchsvollen Passagen für Doppelchor am Anfang und Ende. Die Liedvertonung stellt so etwas wie einen meditativen Ruhepunkt in der Motette dar. Der Doppelchor singt dabei nicht zusammen, sondern wechselt sich beim Interpretieren der Verse ab. Thema ist zum einen die Hoffnung auf einen gnädigen Gott  und zum anderen die Empfehlung an die Gläubigen, sich auf Gott als liebenden Vater zu verlassen.

Das Werk ist zusammen mit „Jesu, meine Freude“ Bachs bekannteste Motette. Als Wolfgang Amadeus Mozart einige Jahrzehnte nach Bachs Tod Leipzig besuchte, sang der Thomanerchor im April 1789 als Beispiel für die Musik von Bach die Motette "Singet dem Herrn". Nachdem er sie von 40 Sängern gehört hatte, soll er enthusiastisch ausgerufen haben: „Das ist doch einmal etwas, woraus sich was lernen lässt!“ Der Salzburger war sofort von der Musik fasziniert, ließ sich die Noten zeigen und studierte sorgfältig die Kompositionsweise von Johann Sebastian Bach. Auch Ludwig van Beethoven schätzte die Musik Bachs. Denn auch wenn der Thomaskantor nach seinem Tod schnell aus dem Fokus der Öffentlichkeit rückte, blieben zumindest einige Kompositionen von Bach bei prominenten Musikern wie Mozart oder Beethoven über die Jahre präsent, ehe Felix Mendelssohn Bartholdy im 19. Jahrhundert die Bach-Renaissance durch die Wiederaufführung der Matthäus-Passion kräftig vorantrieb.    

Hier zunächst die Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied", der Mitschnitt entstand 2008 in der Berliner Gethsemanekirche mit dem RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann:

www.youtube.com/watch

Und da man nach diesem Werk erneut "Bach-süchtig" werden kann und erst am kommenden Dienstag die nächste Ausgabe dieses Newsletters erscheint, verkürze ich die Wartezeit mit dem kompletten Konzertmitschnitt aus der Berliner Gethsemanekirche mit allen Bach-Motetten:

Der Geist hilft unserer Schwachheit auf BWV 226
Sinfonia aus der Kantate BWV 146
Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn BWV Anh. 159
Konzert aus der Kantate BWV 35
Jesu, meine Freude BWV 227
Sinfonia aus der Kantate BWV 188
Fürchte dich nicht BWV 228
Sinfonie aus der Kantate BWV 169
Singet dem Herrn ein neues Lied BWV 225

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Pfingstfest mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd