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01.07.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 792

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie Kammermusik von Wolfgang Amadeus Mozart: Das Streichquartett D-Dur KV 575.

Am 4. Juni 1789 war Mozart von seiner Reise nach Potsdam und Berlin nach Wien zurückgekehrt. Noch im selben Monat trug er "Ein Quartett für 2 Violin, Viola e Violoncello für Seine Mayestätt dem König / in Preussen" in sein Werkverzeichnis ein. Der Grund, für den Cello spielenden Friedrich Wilhelm II. eine Serie von sechs Quartetten zu schreiben, war wohl ein königlicher Auftrag, bestand aber für den in Geldnöten steckenden Komponisten vor allem in der Hoffnung auf ein angemessenes Gnadengeschenk. 

Juni 1789, das war nur einen Monat vor dem Sturm auf die Bastille. Ein Jahr später hatte sich nach der Komposition zweier weiterer Quartette (KV 589 und 590) im Mai und Juni 1790 das Projekt zerschlagen - da war die Welt, zumindest in Paris, nicht mehr dieselbe wie im Vorjahr. Eines jedoch ist sicher: Es war nicht die neue politische Situation, die Mozart zur Aufgabe des ursprünglichen Plans geführt hatte. Was der genaue Grund war, ist unklar; vielleicht war es der Ärger beim Versuch der Geldbeschaffung. So klagte denn Mozart am 12. Juni 1790 gegenüber Puchberg bloß wegen der entgangenen Entlohnung: "Nun bin ich gezwungen, meine Quartetten (diese mühsame Arbeit) um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinen Umständen Geld in die Hände zu bekommen." 

In ihnen ist weder etwas von Umbruchstimmung noch von Geldnot zu spüren, im Gegenteil. In entspannter Kantabilität, Liedhaftigkeit, staccato-untermalter Melodie und in Verbindung von eleganter Klangsinnlichkeit mit hochentwickelter Polyphonie fließen die vier Sätze vorüber. Leichte Melancholie liegt über dem D-Dur-Quartett, und vielleicht hat man darum den Anklang des so einfach gestalteten zweiten Satzes an das Lied "Das Veilchen" gerne zum Anlass genommen, es mit dem Beinamen "Veilchenquartett" zu kennzeichnen. Zwar sind die drei Quartette von 1789/90 stilistisch einfacher als die sechs "Haydn-Quartette" von 1782 bis 1785. Dass es sich Mozart gleichwohl nicht leicht gemacht hat, zeigen die hinterlassenen Entwürfe zu den Finali von KV 575 und 589. Und obwohl sie als "Preußische Quartette" bezeichnet werden, gehören sie nach Wien - Paris hat hier gar nichts zu suchen. An den Preußenkönig erinnert außer dem Beinamen noch die gerade in KV 575 besonders reiche Cellostimme. Sie hat großen Anteil am musikalischen Geschehen - mit der Folge, dass die vier Stimmen so gleichwertig ausgestaltet sind wie nie zuvor.

Eine solche Gleichberechtigung der Stimmen war seinerzeit etwas Neues und ein wegweisender Schritt in Richtung der Kompositionen späterer Kollegen wie Beethoven und Schubert. Gerade der Schlusssatz des D-Dur-Quartetts beginnt mit einer wunderschönen und leichtfüßigen Cello-Kantilene, die den melodischen Ausgangspunkt des beschwingten Allegrettos bildet. So wundert es nicht, dass sich das Quatuor Ébène ausgerechnet bei diesen "Preußischen Quartetten" bediente, um 2024 den neuen Cellisten des Quartetts, Yuya Okamoto, vorzustellen - hier zunächst der Finalsatz aus dem Streichquartett D-Dur KV 575:

www.youtube.com/watch

Und hier schließlich noch das vollständige Quartett mit dem Doric String Quartet, aufgezeichnet am 13. Januar 2019 in der Londoner Wigmore Hall:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler

Beitrag von sd