Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
unser heutiges Musikstück lässt sich schwer einordnen: Robert Schumanns Szenen aus Goethes "Faust" sind weder Oratorium noch Oper, weder Schauspielmusik noch sinfonische Dichtung. Robert Schumann selbst schwebte ein „neues Genre für den Concertsaal“ vor.
Dieses Chorwerk, zwischen 1844 und 1853 entstanden, hat Schumann, dem daran gelegen war, das Leben und die Kunst allumfassend zu poetisieren, lange und ausgiebig beschäftigt. 1844 fasste er erste Pläne zu einer "Faust"-Oper, entschloss sich aber später zu einer eher oratorischen Konzeption. Zu diesem Zeitpunkt komponierte er ausgerechnet zuerst die Schlussszene aus "Faust II", an die sich bisher kein Komponist gewagt hatte. Erst 1849 fügten sich die Vertonungen von sechs weiteren Szenen an. Der große Erfolg der Uraufführung der bis dahin komponierten Teile bewog Schumann, zwei weitere Szenen zu schaffen; als letzter Teil entstand 1853 die Ouvertüre. Eine Aufführung seines ganzen Werkes hat Schumann leider nicht mehr erlebt.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Komponisten, die sich dem "Faust" widmeten, griff Schumann unmittelbar zu den Texten Goethes. Der Bogen der sieben Szenen spannt sich dabei von Fausts Begegnung mit Gretchen und deren Kummer und Verzweiflung über den geläuterten Titelhelden bis zu den abschließenden Szenen aus "Faust II": seinem Dialog mit der Sorge, die ihn mit Blindheit geschlagen zurücklässt, seinen berühmten letzten Worten, seinem Tod und der Verklärung seines Unsterblichen. Schumanns Vertonung, die ein großes Aufgebot an Solisten, Chören und Orchestermusikern erfordert, beeindruckt durch ihre Tiefsinnigkeit und Expressivität ebenso wie durch ihre Vielgestaltigkeit und kompositorische Souveränität - ein Ausnahmewerk eines zentralen Künstlers des 19. Jahrhunderts. Das gesamte Werk übergab er am 13. September 1853 seiner Gemahlin Clara Schumann zum Geburtstag.
Anlässlich des 250. Geburtstages von Johann Wolfgang von Goethe wurden Schumanns Faust-Szenen 1999 in der Stiftskirche St. Amandus in Bad Urach aufgeführt. Die Mitwirkenden sind Michaela Kaune, Detlef Roth, Mihoko Fujimura, Franz Hawlata, Regina Klepper, Christa Mayer, Susanne Krumbiegel, Johannes Kalpers sowie der Kammerchor Stuttgart und die Klassische Philharmonie Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius:
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler