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29.07.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 358

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

die Begegnung zwischen dem Dichter Hugo von Hofmannsthal und dem Komponisten Richard Strauss sollte für die Geschichte der Oper weitreichende Folgen haben.
Mit der Oper "Elektra" begann ihre kongeniale Zusammenarbeit - dieses Werk soll heute im Mittelpunkt stehen.

1903 sah Richard Strauss in Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin die „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal. Eigentlich war er auf der Suche nach einem Stoff für eine komische Oper. Doch dieser Abend mit der großen Tragödin Gertrud Eysoldt in der Titelrolle hatte Folgen. Das Antikendrama faszinierte Strauss so sehr, dass er eine Anfrage an Hofmannsthal schickte. Sehr bald wurde dieser sein genialer Librettist. 1906 beginnt die Zusammenarbeit der beiden. Schon bald danach widmet sich der Komponist in seiner neuen Villa in Garmisch ganz und gar seiner vierten Oper (nach "Guntram", "Feuersnot" und "Salome").

Hofmannsthal stützt sich in dieser Tragödie nicht nur auf Sophokles, sondern auch auf die „Studien über Hysterie“ von Freud und Breuer. Der Komponist wollte „dieses dämonische, ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winkelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenstellen“. „Elektra“ ist ein Gemenge aus Nacht und Licht, ein packendes Musikdrama über menschliche Abgründe: Die Geschichte einer blutrünstigen, neurotischen Familie.

Der Inhalt in Kürze: Die stolze Tochter von Agamemnon und Klytämnestra führt ein trostloses Leben im Palast, nachdem ihr Vater von Aegisth, dem Liebhaber der Mutter, ermordet wurde. Nur der berauschende Gedanke der Rache hält sie aufrecht. Wieder und wieder beschwört sie das Bild ihres Vaters und sehnt ihren totgeglaubten Bruder herbei. Dieser erscheint bald wirklich und nimmt Rache an den Mördern Agamemnons. Elektra tanzt im wilden Jubel einen Rachetanz, bis sie in Ekstase tot niedersinkt. Den ausführlichen Inhalt mit der nicht vertonten Vorgeschichte finden Sie am Ende dieses Newsletters.

Am 25. Januar 1909 fand die Uraufführung der „Elektra“ unter der Leitung von Ernst von Schuch in Dresden statt. Die Oper war ein klarer Erfolg, doch die Aufführungszahlen entsprachen nicht denen der „Salome“. Die Öffentlichkeit ging wenig später viel lieber in den „Rosenkavalier“. Als ein Premierenbesucher danach gefragt wurde, wie ihm der Abend gefallen habe, antwortete dieser: „Oh, ganz großartig!“ - „Und die Musik?“ - „Musik hab ich gar keine gehört!“  Dennoch: Das Werk setzte seinen Siegeszug um die Welt fort und wurde zu einer der meistgespielten Opern von Richard Strauss.

Im Juli 2013 bot Patrice Chéreau dem Publikum des Grand Théâtre d'Aix-en-Provence eine atemberaubende Inszenierung der "Elektra". Chéreau starb nur drei Monate nach der Premiere; es sollte das letzte Werk des Regisseurs sein. Diese Inszenierung wurde seitdem weltweit auf den Opernbühnen präsentiert. Im folgenden Link sind in den Hauptpartien Evelyn Herlitzius (Elektra), Waltraud Meier (Klytämnestra), Adrianne Pieczonka (Chrysothemis), Tom Randle (Ägisth) und Mikhail Petrenko (Orest) zu sehen. Selbst die Nebenrollen sind mit herausragenden Interpreten besetzt: Franz Mazura (Pfleger des Orest), Renate Behle (Aufseherin/Vertraute), Florian Hoffmann (ein junger Diener), Donald Mcintyre (ein alter Diener) sowie als Mägde Andrea Hill, Bonita Hyman, Silvia Hablowetz, Marie-Eve Munger und Roberta Alexander. Es musiziert das Orchestre de Paris unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Hier noch der ausführliche Inhalt mit Vorgeschichte:

Vorgeschichte
Agamemnon, König von Mykene, und seine Gattin Klytämnestra haben vier Kinder: Iphigenie, Elektra, Chrysothemis und Orest. Als die griechische Flotte gegen Troja auslaufen will, wird sie von einer Windstille zurückgehalten. Agamemnon muss seine Tochter Iphigenie der Göttin Artemis opfern, damit sie günstige Bedingungen für die Seefahrt gewährt. Klytämnestra wird dies ihrem Gatten nie verzeihen. Während Agamemnons Abwesenheit im Kampf um Troja bindet sich Klytämnestra an Aegisth. Als Agagmemnon heimkehrt, bereiten ihm Klytämnestra und Aegisth heuchlerisch einen freudigen Empfang. Im Bad erschlagen sie den Wehrlosen mit einer Axt. Nach dem Mord an ihrem Vater hat Elektra ihren jungen Bruder Orest in Sicherheit bringen können. Sie selbst hegt nur einen Gedanken: den Mord zu rächen.

Handlung
Elektra hat sich von der Gesellschaft und vor allem von Aegisth und Klytämnestra losgesagt und lebt vereinsamt dahin, gedanklich gekettet an Agamemnon. Unbeugsam nährt sie ihren Hass, baut sie auf Orests Rückkehr als Rächer. Die fünf Mägde, bewacht von der Aufseherin, kommentieren Elektras Verhalten: gehässig, prahlerisch, ängstlich; nur die jüngste tritt für Elektra ein und wird darum gezüchtigt. Elektra beschwört Agamemnon und berauscht sich an ihren Blut-Visionen. Chrysothemis unterbricht Elektras Monolog und warnt ihre Schwester: Aegisth und Klytämnestra planen sie in einen Turm einzukerkern. Als Chrysothemis andeutet, sich mit den Mächtigen arrangieren zu wollen, um ihre Wünsche nach Mutterschaft verwirklichen zu können, wird sie von Elektra höhnisch in die Schranken gewiesen. Die ruhelose Klytämnestra sucht, gequält von den Erinnerungen und von Angstträumen, eine Aussprache mit Elektra und erhofft sich von ihr Auskunft, durch welche Blutopfer und Bräuche ihr Linderung zuteil würde. Elektra antwortet ihr hinhaltend, rätselhaft, hintersinnig und ängstigt ihre Mutter durch Fragen nach Orest.

Als jedoch Klytämnestra von ihrer Vertrauten eine Neuigkeit überbracht wird, weicht ihr Grauen einem offensichtlichen Triumphgefühl. Elektra ist irritiert, bis sie den Inhalt der Nachricht von Chrysothemis erfährt - ihr gemeinsamer Bruder Orest ist tot. Elektra will dies nicht wahrhaben, muss dann doch dem Botenbericht Glauben schenken und entschließt sich die Rache selbst auszuführen. Chrysothemis soll ihr dabei helfen. Mit Zärtlichkeit und Zeichen der Zuneigung versucht Elektra ihre jüngere Schwester für ihren Mordplan an Klytämnestra und Aegisth zu gewinnen. Aber Chrysothemis entzieht sich ihrer Schwester ´- und wird von dieser verflucht.

Nun ist Elektra entschlossen, die Tat allein zu vollbringen. Doch da kommt ein Fremder, der sich als Bote ausgibt und Klytämnestra den Tod Orests melden soll. Elektras Verzweiflung bewegt ihn, nach ihrem Namen zu fragen. Dann erst gibt er sich als ihr Bruder zu erkennen - als Orest! Elektra drängt ihn zum Rache-Mord, den Orest eilig auszuführen gelobt. Allein zurückgeblieben harrt Elektra auf das Weitere … Die Todesschreie Klytämnestras und die Verwirrung der Mägde geben ihr Gewissheit, dass ein Teil der Rache vollstreckt wurde. Aegisth, von Dienern herbeigeholt, will selbst die Botschaft von Orests Tod hören. Schmeichlerisch geleitet ihn Elektra dahin, wo sie den Rächer weiß, der ihn wenig später tötet. Von der endlich ausgeführten Rache erfüllt, beginnt Elektra einen letzten ekstatischen Tanz…

Beitrag von sd