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09.05.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 472

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

unser heutiges Musikstück ist Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93. Sie klingt, als ob der Komponist, der bei Joseph Haydn Unterricht genommen hatte, noch einmal bei der Musik des 18. Jahrhunderts in die Schule des musikalischen Witzes gegangen sei.

Beethovens Achte entstand in den Jahren 1809 bis 1812. Das Werk sprudelt vor Heiterkeit und jugendlicher Lebendigkeit. Der Achten merkt man nicht die Bedrücktheit ihres Schöpfers an, der von zunehmender Taubheit befallen war. Das in Linz vollendete Werk wurde am 27. Februar 1814 im großen Redoutensaal in Wien uraufgeführt. Die Reaktion der Kritik war jedoch enttäuschend: "Das Werk machte keine Furore", schrieb die Presse. Heute bezeichnet man die Achte als das Hohelied des Humors, und damit ist das Wesen dieser kontrastreich-witzigen Musik treffend charakterisiert.

Von Anfang an geht Beethoven munter zur Sache. Ganz ohne Einleitung stürmt er mit einer gut gelaunten Geste voran und lässt sogar die Pauke die übermütigen Achtelläufe der Violinen mitspielen. Dafür endet der Satz kokett im Pianissimo. Lange Zeit glaubte man, die charmante Melodie des zweiten Satzes stamme von einem Kanon, den Beethoven spontan für den befreundeten Ingenieur Johann Nepomuk Mälzel komponierte, als Dank für die Erfindung des Metronoms. Inzwischen weiß man: Der Kanon entstand später, und ob ihn Beethovens Biograf Anton Schindler, auf den diese Anekdote zurückgeht, nicht gleich selbst schrieb, lässt sich heute kaum nachvollziehen. Tatsächlich aber erinnert die Musik an ein tickendes Uhrwerk. Es folgt ein geradezu archaisches Menuett, dessen pompöser Gestus hörbar durch die Tatsache getrübt wird, dass die Holzbläser gleich ihren ersten Einsatz zu verpassen scheinen. Der Finalsatz beginnt im verheißungsvollen Flüsterton, nur um den Hörer*innen unvermittelt einen äußerst unanständigen Ton entgegenzuschleudern - "als ob jemand mitten im Gespräch die Zunge herausstreckt", empfand es Beethovens Kollege Louis Spohr.

Zur heutigen Musikauswahl - 1991 gastierte das Boston Symphony Orchestra mit seinem damaligen Chefdirigenten Seiji Ozawa in der Frankfurter Alten Oper:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Nikolaus Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe, aufgezeichnet am 1. Juli 1990 im Grazer Stefaniensaal:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss heute der Mitschnitt des Konzerts vom 16. Dezember 2016 mit dem Rotterdams Philharmonisch Orkest unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin in De Doelen in Rotterdam:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd