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04.07.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 795

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

 

heute erwartet Sie Kammermusik von Ludwig van Beethoven: Das Streichquartett F-Dur op. 59 Nr. 1 "Rasumowsky"

Beethovens drei Streichquartette op. 59 markieren einen Wendepunkt im Schaffen des Komponisten. Mit ihnen überwand er eine existenzielle Krise, die durch seine zunehmende Ertaubung ausgelöst worden war und zu einer chronischen Unzufriedenheit mit seinen bisherigen Werken geführt hatte. Mit diesen Quartetten erfand sich Beethoven als Komponist gewissermaßen neu. Das musikalische Experiment wurde ab jetzt zum Programm. "Kein Geheimnis sei dein Nichthören mehr - auch bei der Kunst", vermerkte Beethoven schließlich in einer Skizze der Streichquartette op. 59. Bei den Zeitgenossen stießen die Werke allerdings vor allem auf Unverständnis. 

 

Vom "Flickwerk eines Wahnsinnigen" war die Rede, und der Cellovirtuose Bernhard Romberg stand beim ersten Durchspielen des F-Dur-Quartetts wütend auf, warf die Cellostimme auf den Boden und trat sie mit Füßen. Es sollte Jahre dauern, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass es sich bei diesen Werken um einen Höhepunkt der Quartettliteratur handelte. Das erste der drei Quartette op. 59 erklang 1807 zum ersten Mal bei einer Akademie in Wien im neu erbauten Wiener Palais eines adligen Gönners: Fürst Andrei Kyrillowitsch Rasumowsky. Russischer Gesandter, Kunstsammler, ein dilettierender Geiger. Zu seinen Bediensteten zählte bald das erste professionelle Streichquartett der Musikgeschichte - versehen mit einem Vertrag auf Lebenszeit. Der allerdings frühzeitig und unerwartet wegen des Brands des fürstlichen Wohnsitzes in Wien und der nachfolgenden finanziellen Misere aufgelöst werden musste. Später. Vorerst widmete sich das Schuppanzigh-Quartett mit großer Ernsthaftigkeit der Musik Beethovens: den Streichquartetten op. 59, gewidmet Graf Rasumowsky. 


Das Neue dieser Werke lag in der Ausdehnung von Form und Klang. Den vier Musikern des Streichquartetts wurden Sätze von einer Länge und einer Dichte der Klangereignisse zugemutet, wie sie sonst nur ein Sinfonieorchester zu bewältigen hatte. Das F-Dur-Quartett ist in dieser Hinsicht das Gegenstück zu Beethovens fünfter und sechster Sinfonie, die in der gleichen Zeit entstanden. Es verbindet die Tonart der „Pastoralen“ mit dem formalen Anspruch der „Schicksalssinfonie“ zu einem in jeder Hinsicht großartigen Werk.

Gleich das Hauptthema des ersten Satzes umreißt den neuen Anspruch: ein Cellothema, das sich melodisch frei und mit langem Atem über der Begleitung der übrigen Stimmen entfaltet. Die eigenartige Synthese aus lyrisch-pastoraler Melodie und drängendem Duktus bleibt in dem ganzen, sinfonisch auf 400 Takte gedehnten Satz erhalten.„Sempre scherzando“ ist der zweite Satz zu verstehen, eine Anweisung, die der wütende Cellist Romberg offenbar überlas. Das Cellosolo auf einem Ton legt zu Beginn den Rhythmus des Satzes fest, den die zweite Geige erst danach melodisch definiert. Allmählich gewinnen auch die Dynamik - zu Beginn „Pianissimo“ - und der Klang konkretere Gestalt. Was folgt, ist ein Vexierspiel aus den scherzenden Motiven des Anfangs, ein atemberaubendes Meisterstück motivischer Arbeit.

Höhepunkt des Quartetts ist der langsame Satz, das „Adagio molto e mesto“ in f-Moll. Die klagende Figur der ersten Geige zu Beginn wurde für die Romantik zum Topos der Elegie in der Streicherkammermusik - bis hin zu Mendelssohn und Brahms. Die Klage entfaltet sich in immer weiteren Kreisen, der Satz dünnt bis zur Zweistimmigkeit aus, ein Gegenthema in Dur kann sich nur leise behaupten. Das Finale hat Beethoven aus einem „russischen Thema“ heraus entworfen, eine Huldigung an den Widmungsträger, Graf Rasumowsky. Der russische Tanz eröffnet ein quicklebendiges, in Teilen kämpferisches Sonatenrondo.

 

Beethovens Streichquartett F-Dur op. 59 Nr. 1 ist hier zu hören mit dem Danish String Quartet, der Mitschnitt entstand am 8. April 2018 im Rahmen der Parlance Chamber Concerts in der West Side Presbyterian Church in Ridgewood, New Jersey:

 

www.youtube.com/watch

 

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

 

Matthias Wengler

Beitrag von sd