Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
zu Pfingsten darf es mal wieder ein besonderes Werk von Johann Sebastian Bach sein: Seine h-Moll-Messe BWV 232 übertrifft mit zwei Stunden Aufführungsdauer, ihren komplexen Fugen, 18 Chorteilen und 9 Arien alle bis dahin bekannten Messvertonungen. Es ist das letzte große Chorwerk Bachs und zweifellos auch der Höhepunkt in seinem Gesamtwerk.
Der Schaffensprozess erstreckte sich über ein Vierteljahrhundert, von 1724 bis 1749 und umfasste somit beinahe Bachs gesamte Zeit als Thomaskantor. Zunächst entstanden einzelne Sätze. Erst in den späten 1740er Jahren baute Bach diese Einzelsätze weiter zu einer vollständigen, dem Messordinarium entsprechenden "Missa tota" aus. Warum sich der alternde Komponist diese Arbeit aufbürdete, ist bislang ungeklärt. Sicherlich ist der eigene Antrieb, ein exemplarisches Werk zu schaffen nicht unerheblich, doch wird vermutet, dass diesem Vorhaben ein konkreter Auftrag vorausging, denn in den lutherischen Gotteshäusern der Stadt Leipzig konnte die Messe nicht aufgeführt werden.
Die Komplexität der einzelnen Sätze, ihre Vielgestaltigkeit, die sorgfältige Ausarbeitung - dies alles zeugt von dem scheinbar unerschöpflichen Ideenreichtum Johann Sebastian Bachs. Die h-Moll-Messe wird nicht ohne Grund als Bachs "Opus summum" bezeichnet. Er vereint in ihr eine Vielfalt von Satzarten, Klang- und Ausdrucksformen, verbindet Altes mit Neuem und macht regen Gebrauch vom damals üblichen Parodieverfahren, worunter man die Umgestaltung eines bereits bestehenden Werks für einen neuen Zweck verstand - für Bach eine dem Komponieren ebenbürtige Tätigkeit. Eindeutig belegt ist, dass Bach eine frühe Fassung, bestehend nur aus Kyrie und Gloria, beim sächsischen Hof einreichte, um den Titels eines „Hof-Compositeurs“ zu erhalten.
Bei seinen Söhnen war die h-Moll-Messe als „Catholische Messe“ bekannt. Nach Bachs Tod wurde das Werk zunächst nur in Teilen aufgeführt. Eine komplette Aufführung gelang Carl Friedrich Zelter erst in den Jahren 1834/35, zu anspruchsvoll waren bis dahin vor allem die Chorteile. Zelter bezeichnete Bachs h-Moll-Messe bereits 1811 als "das größte Musikwerk, das die Welt je gesehen hat". Heute gehört sie fest zum Repertoire von professionellen Chören und gehobenen Laienchören und wird weltweit sehr geschätzt.
Drei Aufführungen empfehle ich Ihnen heute sehr gerne: Zunächst ein Mitschnitt vom 3. April 2015 aus der Pariser Philharmonie mit dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner, die Solisten sind Hannah Morrison, Esther Brazil, Katie Bray, Kate Symonds-Joy, Nick Pritchard, Peter Davoren, Alex Ashworth und David Shipley:
Thomaskantor Georg Christoph Biller stand am Dirigentenpult, als das renommierte Freiburger Barockorchester und der Leipziger Thomanerchor Bachs h-Moll-Messe anlässlich des Leipziger Bachfestes 2013 in der Thomaskirche aufführte, die Solisten sind Reglint Bühler, Susanne Krumbiegel, Susanne Langner, Martin Lattke und Markus Flaig:
www.youtube.com/watch
Und zuletzt noch ein Mitschnitt aus der Hamburger Elbphilharmonie vom 20. Dezember 2020 mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble unter der Leitung von Thomas Hengelbrock, die Chorsolisten sind Agnes Kovacs, Stephanie Firnkes, Anne Bierwirth, Bobbie Blommesteijn, William Shelton, Terry Wey, Jan Petryka, Jakob Pilgram, Joachim Höchbauer und Daniel Ochoa:
Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Pfingstfest mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler