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12.10.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 390

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute passt das berühmte Monty-Python Zitat "and now for something completely different" sehr gut, denn heute dreht sich alles um Musical-Songs - von Kurt Weill!

Kurt Weill ist in erster Linie bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht, insbesondere zur "Dreigroschenoper". Doch auch im Exil am New Yorker Broadway verband der jüdische Komponist Gesellschaftskritik und Massentauglichkeit. Seit 1935 lebte er in New York, wohin er vor den Nazis geflohen war. Die USA betrachtete er als seine neue Heimat. Dieses Land, so der Komponist in einem Interview, hatte schon immer von Einwanderern profitiert: „Eben das hat die amerikanische Zivilisation begründet: die vielen Talente aus aller Welt, befreit von Unterdrückung und Einengung, bereit zu geben und zu gestalten.“

Auch Weill leistete seinen Beitrag. Dazu sein Biograph Jürgen Schebera: „Kurt Weill zählt heute zu den Komponisten, die die seichte Broadway Musical Comedy, Aneinanderreihung von Songs mit läppischen Handlungen, weiterentwickelt hat durch die Zusammenarbeit mit führenden amerikanischen Dramatikern. Und so entstand das genuin amerikanische Genre Musical Play, was bis heute gespielt wird.“

Als Sohn eines jüdischen Kantors aus Dessau war Weill 1918 nach Berlin gezogen, um bei Engelbert Humperdinck und Ferruccio Busoni Komposition zu studieren. Den Durchbruch zu seinem eigenen Stil schaffte er zehn Jahre später mit der „Dreigroschenoper“, zu der Bertolt Brecht den Text geschrieben hatte. Das sensationell erfolgreiche Stück war einfach und raffiniert zugleich, es sprach ein Massenpublikum ebenso an wie die Intellektuellen. Neben Brecht hatte auch die Schauspielerin Lotte Lenya, die der Komponist 1926 heiratete, sein Interesse an einer breitenwirksamen Kunst gefördert. Sie wirkte auch mit an der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, die 1930 in Leipzig uraufgeführt wurde.

Die scharfe Gesellschaftskritik in der „Mahagonny“-Oper führte zu heftigen Protesten von Konservativen und Nationalisten, so dass ihre Autoren Brecht und Weill nach Hitlers Machtübernahme sofort Deutschland verlassen mussten. Weill floh mit seiner Frau in die USA. Mit Bühnenwerken wie „Lady in the Dark“, „Street Scene“, „One Touch of Venus“ und „Lost in the Stars“ zielte er auf das Broadway-Publikum. Trotzdem hatte Weill Deutschland nicht vergessen. Als er 1949 in New York Berliner Theaterleute traf, erklärte er ihnen: „Ich hoffe, dass man in Deutschland einige der Werke aufführen wird, die ich in den letzten 14 Jahren hier geschrieben habe. Und dann möchte ich gerne kommen und dabei sein.“ Dazu kam es nicht mehr. Nur wenige Monate nach diesem Interview starb Kurt Weill am 3. April 1950 im Alter von erst 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

Ein paar Titel aus Weills Broadway-Zeit habe ich heute für Sie ausgewählt: Zunächst Musicalstar Julie Andrews, die in den Titeln "It Never Was You" (aus "Knickerbocker Holiday") und "My Ship" (aus "Lady in the Dark") großartig am Klavier von André Previn begleitet wird - der Mitschnitt entstand 1993 in der NHK Hall in Tokio:

www.youtube.com/watch

"Speak low" aus dem Musical "One Touch of Venus", hier zu sehen mit Véronique Gens und dem Orchestre national de France unter der Leitung von Dalia Stasevska:

www.youtube.com/watch

"I'm a stranger here myself", ebenfalls aus dem Musical "One Touch of Venus" - Ute Lemper wird begleitet vom Milwaukee Symphony Orchestra unter der Leitung von Andreas Delfs:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss noch eine Paradenummer von Danny Kaye, die er seit 1941 jahrzehntelang in seinem Repertoire hatte: "Tschaikowsky" aus dem Musical "Lady in the Dark". Es werden rund 50 Namen von russischen Komponisten aufgezählt. Beim ersten Mal sang Danny Kaye das Lied in 38 Sekunden. In weiteren Aufführungen versuchte er, immer noch schneller zu werden. Irgendwann musste sogar das ihn begleitende Orchester passen, weil es dem Tempo nicht mehr folgen konnte. Ohne Orchester schaffte es Danny Kaye schließlich, das zungenbrecherische Lied "Tschaikowsky" in 31 Sekunden zu singen...

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd