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22.02.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 442

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

die zwei Serenaden von Johannes Brahms gehören zweifellos zu den am wenigsten bekannten Werken seines Orchesterschaffens. Beide entstanden ungefähr gleichzeitig mit dem ersten Klavierkonzert, dessen komplizierte Entstehungsgeschichte sie ebenfalls teilen. Die Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16 ist unser heutiges Musikstück.

Wie bereits die erste Orchester-Serenade D-Dur op. 11 entstand auch das Gegenstück op. 16 in der kleinen Fürstenresidenz Detmold in den Sommern von 1858 und 1859. Brahms, damals Mitte zwanzig, genoss die Sommer im Dienste der fürstlichen Familie, was auch diese Werke von filigraner Leichtigkeit und fröhlicher Beschwingtheit widerspiegeln. Die beiden Kompositionen sind so bescheiden im Klangvolumen und von solch idyllischer Stimmung, dass sie als bewusste Reaktion auf die Monumentalität des unmittelbaren Vorgängerwerkes, des Klavierkonzerts Nr. 1 d-Moll op. 15, erscheinen.

Der Hauptunterschied zur ersten Serenade liegt vor allem in der Besetzung, handelt es sich doch um eines der wenigen Orchesterwerke des klassisch-romantischen Repertoires, das gänzlich auf den Einsatz von Geigen verzichtet. Vielleicht zum Ausgleich der fehlenden Instrumente in hoher Tonlage wird unerwartet eine Piccoloflöte vorgeschrieben, die im Schlusssatz besonders brillant zum Einsatz kommt. Brahms drückte seine Freude über die zweite Serenade mit folgenden Worten aus: "Mir war ganz wonniglich dabei zu Mute. Mit solcher Lust habe ich selten Noten geschrieben, die Töne drangen so liebevoll und weich in mich, dass ich durch und durch heiter war."

Uraufgeführt wurde das Werk am 10. Februar 1860 von den Hamburger Philharmonikern unter der Leitung von Johannes Brahms im Großen Wörmerschen Concertsaal an der Fuhlentwiete, später bekannt geworden als Conventgarten, jener populäre im 2. Weltkrieg zerstörte Konzertsaal der Hansestadt. Rund 160 Jahre später spielen die Philharmoniker das Werk nun in der Hamburgischen Staatsoper unter der Leitung von Generalmusikdirektor Kent Nagano, die Aufzeichnung erfolgte 2020:

www.youtube.com/watch

Anlässlich des 150. Geburtstages von Johannes Brahms im Jahre 1983 nahm Leonard Bernstein mit den Wiener Philharmonikern zwischen 1981 und 1984 fast alle Orchesterwerke des Komponisten für Schallplatte und Video auf. Heute gilt dieser Zyklus als Meilenstein in der Interpretation der Musik von Johannes Brahms. Für Bernstein war Brahms "ein wahrer Romantiker, der seine Leidenschaften in ein klassisches Gewand kleidete", aber auch "ein norddeutscher Klassiker, den es nach Wien verschlagen hatte und der sich dort von Donau, Karpaten und dem Temperament der Zigeuner hatte inspirieren lassen". Bernstein und die Wiener Philharmoniker berücksichtigten diesen Dualismus und unterstrichen sowohl das klassische als auch das romantische Element, die dramatische Intensität und die nüchterne Zurückhaltung von Brahms' Musik. Die Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16 dirigierte Leonard Bernstein im September 1982 im Wiener Konzerthaus:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd