Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute erwartet Sie ein echtes Morgenständchen - genauer gesagt das Morgenständchen des Narren: Alborada del Gracioso von Maurice Ravel.
Bei dem spanischsten aller Ravelschen Orchesterstücke handelt es sich - wie oft bei ihm - um die nachträgliche Orchestrierung eines Klavierstücks. Alborada del Gracioso war ursprünglich das vierte Stück aus dem Klavierzyklus „Miroirs“ von 1905. Erst 13 Jahre später hat es Ravel orchestriert und 1919 zur Uraufführung in Paris freigegeben. Er schuf damit seine schillerndste spanische Partitur, ein vor orchestraler Farbenpracht und rhythmisch-perkussivem Rausch geradezu strotzendes Klanggemälde. Crotales, Castagnetten, Harfen und Xylophon lassen an den Reichtum der Lauten, Harfen und des Schlagwerks in der alten Musik Spaniens denken. Hier dienen sie zur Untermalung eines grausam-grotesken Ständchens, das ein Hofnarr vor dem Fenster seiner angebeteten Prinzessin singt, die ihn aber nur verlacht.
Im Titel hat Ravel die „Alborada“, das Morgenständchen der Troubadoure, mit dem „Gracioso“ kombiniert, dem Narren im spanischen Drama des 17. Jahrhunderts, wie er bei Calderòn und Lope de Vega vorkommt. In den Außenteilen steigert sich die rhythmische Energie des Ständchens ins Alptraumhafte, der Mittelteil wird von einem klagenden Fagottsolo eingeleitet, das den Blick zum Fenster der Schönen lenkt. Ravel zeigt hier „ein Spanien zuckend und exzessiv; ein Spanien überschüttet vom Lärm, von Farben und Zornesausbrüchen in den beiden Außenteilen, wo die Instrumente, buchstäblich elektrisiert, um die Wette rattern in einem bacchantischen Tanz; ein Spanien von gefährlicher Sinnlichkeit im Mittelteil, der in gnadenlosem Licht die Grausamkeit der Schönen beschreibt, die sich über die lächerliche Serenade des bemitleidenswerten Narren lustig macht.“, so der Musikwissenschaftler François-René Tranchefort.
Hier zunächst die Orchesterfassung mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Pablo Heras-Casado, aufgezeichnet am 24. August 2017 in der Weseler Werft in Frankfurt am Main:
Und zum Vergleich noch die Klavierfassung mit Bertrand Chamayou:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler