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04.12.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 711

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

wenn Sie immer schon einmal ein Konzert in der Besetzung Klarinette, Viola und Orchester hören wollten, kann dieser Wunsch heute erfüllt werden, denn da gibt es nur eine einzige Möglichkeit: Das Konzert für Klarinette, Viola und Orchester e-Moll op. 88 von Max Bruch.

Max Bruch kam 1838 in Köln zur Welt. Als 14-Jähriger in der Rheinischen Musikzeitung bereits euphorisch mit Mozart und Mendelssohn verglichen, wirkte er später u. a. in Bonn, Koblenz, Breslau und London. Er starb 1920 hochgeehrt - aber von den Zeitgenossen längst als altmodisch empfunden - in Berlin, wo er bis zu seiner Pensionierung 1911 als Kompositionsprofessor an der Königlich Preußischen Akademie gelehrt hatte. Begraben liegt er auf dem Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg.

Es ist ein amüsantes Gedankenspiel, in den so gegensätzlichen Persönlichkeiten seiner Eltern - königlicher Polizeirat und stellvertretender Polizeipräsident der Vater, Sopranistin die Mutter - eine Wurzel zu sehen für die beiden hervorstechenden Züge, die ihr Sohn später auf musikalisch-ästhetischem Gebiet an den Tag legen sollte: Da ist einerseits die große Hinwendung zum Gesanglichen in der Musik, die sich in einer Fülle von Kompositionen für Singstimme und Chor ebenso zeigt, wie in dem ausgeprägt melodisch-lyrischen Duktus fast aller seiner Instrumentalstücke. Auf der anderen Seite stand seine äußerst starrköpfige, konservative Haltung in ästhetischen Dingen, mit der er höchst rigide in Richtig und Falsch unterteilte. Mendelssohn war ihm das Ideal und der Zeitgenosse Brahms ein Vorbild, in dessen Schatten er zeitlebens ebenso fröstelnd wie bewundernd stand. Für Reger, Debussy und Strauss hingegen, die wir heute als geniale Neuerer begreifen, hatte er nur giftige Verachtung übrig.

Und daran sollte sich sein ganzes Leben lang nichts ändern: Er komponierte tatsächlich bis ins hohe Alter im selben klassisch-romantischen Stil, der schon sein berühmtes erstes Violinkonzert von 1865 auszeichnete. Dieses bis heute äußerst beliebte Werk sollte aber auch das einzige bleiben, das es zu dauerhafter Präsenz im Kanon der Musikgeschichte brachte.

Das Doppelkonzert schrieb Bruch 1911 als 73-Jähriger und widmete es seinem Sohn Felix, der ein begabter Klarinettist war. Seine Uraufführung erlebte es 1912 und wurde vom Kritiker der Allgemeinen Musikzeitung als "harmlos, weich, unaufregend und zu vornehm in der Zurückhaltung" beschrieben. Dennoch: Es ist ein lebendiges, reizvolles und wundervoll proportioniertes Stück Musik. Die aparte und seltene Kombination der Solo-Instrumente, als erstes von Mozart 1786 in seinem "Kegelstatt-Trio" erprobt, gibt dem Werk sein delikates, nostalgisch-wehmütiges Klangbild. Originell und für ein Solokonzert absolut untypisch ist der Aufbau mit einer kontinuierlichen Temposteigerung vom ersten bis zum dritten Satz. Die Geschwisterhaftigkeit von Klarinette und Bratsche, die sich in Timbre und Lage so ähnlich sind, betont Bruch im ganzen Werk: Statt konzertant zu wetteifern, imitieren und umspielen die beiden Soloinstrumente sich in allen drei Sätzen wie zwei, die sich einig sind und dem Gesagten nur ihre jeweilige persönliche Nuance hinzufügen möchten.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus Österreich. Max Bruchs Konzert für Klarinette, Viola und Orchester wurde am 10. Februar 2023 im Festsaal der Stella Musikhochschule Feldkirch aufgeführt, es musizierten Matthias Schorn, Klaus Christa und das Pforte Kammerorchester Plus (Mitglieder der Iberacademy
Medellin (Kolumbien), des Mangaung String Programs (Südafrika) und der Stella Musikhochschule Feldkirch):

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler

Beitrag von sd