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12.12.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 412

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

wie sieht das private Familienleben eines erfolgreichen Komponisten aus? Mit seiner Sinfonia domestica op. 53 hat uns Richard Strauss quasi einen musikalischen Schlüssellochblick gewährt.

Die Sinfonia domestica, eine Synthese aus Sinfonie und sinfonischer Dichtung, hat der Komponist und Dirigent Richard Strauss seiner bemerkenswerten Frau Pauline und dem gemeinsamen Sohn Franz gewidmet. Pauline hatte Strauss 1887 als Gesangsschülerin kennengelernt; sieben Jahre später, nachdem sie klargestellt hatte, ihre Karriere nicht aufgeben zu wollen, heirateten die beiden. Die für ihre Charakterstärke und eine etwas burschikose Art bekannte Pauline brachte 1897 den gemeinsamen Sohn Franz zur Welt.

Die ersten Skizzen zur Sinfonia domestica machte Strauss bereits 1902, am 21. März 1904 wurde das Werk unter der Leitung des Komponisten in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt. Es gehört zu den umstrittenen Werken des Komponisten. Richard Strauss sprach von seiner „häuslichen Sinfonie“, ja, gar von seinem „musikalischen Ehegemälde“. Der Arbeitstitel lautete „Mein Heim, ein häusliches Selbst- und Familienporträt“. In fotografischer Treue setzte Strauss seine eigene Familie in Musik; er "beschreibt" durch den Einsatz verschiedener Themen und Instrumentengruppen  nicht nur die drei agierenden Personen - Vater (Strauss), Mutter (Pauline) und Sohn (Franz), sondern auch deren jeweilige Stimmungen (träumerisch, feurig, lustig, zornig etc.) sowie die ganz alltäglichen Handlungen und Ereignisse im Haushalt der Familie Strauss.

Über das umstrittene Sujet hinaus aber hat die Sinfonia domestica viel interessante Musik zu bieten, die zwischen den Opern „Feuersnot“ und „Salome“ entstand und somit eine musikalisch höchst interessante Wendezeit des Komponisten repräsentiert. Strauss blieb mit diesem Werk auf seinem damaligen Kurs, ein wagemutiger Musikrevolutionär zu werden. Ein zeitgenössischer Kritiker schrieb nach der Uraufführung: "Man kann die drei Personen der Familie Strauss aus dem Stück gut heraushören. Einer jedoch fehlt: Der Vermieter nämlich, der bei solchem „Krakeel“ die Wohnung wohl sogleich gekündigt hätte." Der Komponist Ferrucio Busoni hat in einem Brief an seine Frau eine höchst treffende Charakterisierung dieses Werkes gegeben: „Eine bewunderswürdige Leichtigkeit, zu komplizieren und Kleines auszubreiten. Strauss muss die beiden Hauptstimmen, dann die Hauptmittelstimme ausschreiben, und hinterher alles, was noch dazwischen Platz hat, hineinstopfen. So geht es immer weiter, aber er hört nicht rechtzeitig auf. Er kennt nicht die Meisterschaft des Unvollendeten.“

Bilden Sie sich gerne selbst Ihr Urteil: Unser heutiger Mitschnitt kommt aus Norwegen. Strauss' Familienporträt war am 29. August 2002 in der Oslo Concert Hall mit dem Oslo Philharmonic unter der Leitung von Sir André Previn zu erleben, der mit diesem Werk sein Antrittskonzert als Chefdirigent bestritt:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler
 

Beitrag von sd