Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
zu den populären Klaviersonaten Ludwig van Beethoven zählt zweifelsohne auch die Sonate Nr. 21 C-Dur op. 53, auch als "Waldstein"-Sonate bekannt.
Sie hat die Energie eines ganzen Sinfonieorchesters, dem Komponisten scheint permanent der Kragen zu platzen - vor Aufregung und Glück. Der Interpret hat
die ganze Tastatur zu bearbeiten und das mit höchster Virtuosität. Beethoven stürmt wie immer nach vorn - romantisch wild, impressionistisch hell. Und das alles komponiert in der einfachsten aller Tonarten: C-Dur.
"Zu lang!" bemängelten die Kritiker, als Beethoven seine "Waldstein"-Sonate veröffentlichte. Die drei Sätze von nahezu gleicher Länge und Intensität bedeuten nicht nur eine Herausforderung für den Pianisten, sondern fordern auch die Konzentration des Hörers; beide werden allerdings auch musikalisch reichlich entlohnt! Als groß angelegte Klaviersonate gilt sie sowohl in ihrer Länge als auch in ihrer anspruchsvollen Virtuosität als Paradestück für jeden Klaviervirtuosen. Sie entstand in etwa gleichzeitig mit seiner dritten Sinfonie "Eroica" und wurde im Erstdruck von 1805 noch mit „Sonata Grande“ überschrieben. Ihren Namen trägt die Sonate dank Beethovens Mäzen Graf Ferdinand Ernst von Waldstein - den man ohne diese Sonate womöglich längst vergessen hätte.
"Ein Freund Beethovens äußerte ihm, die Sonate sei zu lang, worauf dieser von ihm fürchterlich hergenommen wurde. Allein ruhigere Überlegung überzeugte meinen Lehrer bald von der Richtigkeit der Bemerkung. Er gab nun das große Andante in F-Dur, 3/8-Takt, allein heraus und komponierte die interessante Introduktion zum Rondo, die sich jetzt darin findet, später hinzu", so Beethovens Schüler Ferdinand Ries im Jahre 1838 in seinen biographischen Notizen. Nach reiflicher Überlegung koppelte Beethoven also den zweiten Satz aus; das sogenannte „Andante favori“ erfreut sich seither als Einzelstück großer Beliebtheit. Doch auch mit dem neu hinzugefügten zweiten Satz ist die Sonate immer noch außerordentlich umfangreich. An seine Stelle setzte Beethoven eine kurze langsame Introduzione, die auf den Finalsatz hinleiten sollte und somit den dritten Satz besonders hervorhebt.
"Hat die Sonate zwei oder drei Sätze?" wundert man sich beim Hören. Wenn man im Programmheft von drei Sätzen liest, wird man im Konzert überrascht. Beim Hören vermittelt sich nämlich eher ein zweisätziger Eindruck. Durch kleine Kniffe wie diesen durchbrach Beethoven selbst gerne seine eigenhändig gesetzten Formschemata und spielte damit.
Auch was die Komposition der Themen betrifft, wandert Beethoven hier bewusst auf dem schmalen Grat zwischen Regelkonformität und dem Spiel mit der Freiheit: Das Thema zu Beginn der Sonate stellt sich mit den auf der Stelle trippelnden Akkordrepetitionen für ein Sonatenthema recht untypisch dar. Kraftvoll läutet es die Sonate ein und bewegt sich harmonisch gleich in ganz entfernte Gefilde. Ein zartes, sangliches Seitenthema bildet dazu den Gegenpol. Die Introduzione kommt ganz ruhig im Adagio molto daher und leitet zum Finale hin. Dieses bewegt sich zwischen Aufhören und Wiederbringen des Themas. Wie in Endlosschleife wird das Thema in diesem als Sonatenrondo komponierten Satz gebracht und verweist doch gleichzeitig auf die Schlussfunktion des Satzes. Der Musikwissenschaftler Jürgen Uhde sagt über das Finale: „Musik rebelliert gegen das Verfließen der Zeit; es gibt hier kein "Nachleuchten" des großen Moments, sondern nur den Versuch, ihn zu übersteigern" - am deutlichsten wird das im Schluss-Prestissimo.
Drei Interpreten habe ich heute für Sie ausgewählt, zunächst Igor Levit, der mit seinen in der Corona-Pandemie durchgeführten Hauskonzerten aus seiner Berliner Wohnung im Jahr 2020 auf besondere Weise Musikgeschichte geschrieben hat. Am 2. April 2020 war er mit einer Ausgabe zu Gast im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier:
András Schiff, aufgezeichnet 2008 in Tokio:
Daniel Barenboim, aufgezeichnet 2006 im Rahmen seines Beethoven-Zyklusses in der Berliner Staatsoper Unter den Linden:
...und als Zugabe heute noch ein komplettes Beethoven-Recital mit Yevgeny Kissin, aufgezeichnet am 24. Juli 2019 im Rahmen des Verbier Musikfestivals in der Salle des Combins. Das Programm besteht aus folgenden Werken:
Sonate Nr. 8 c-Moll op. 13 "Pathétique"
Eroica Variationen op. 35
Sonate Nr. 17 d-Moll op. 31 Nr. 2 "Der Sturm"
Sonate Nr. 21 C-Dur op. 53 "Waldstein"
Zugaben:
Bagatelle C-Dur op. 33 Nr. 5
Bagatelle Es-Dur op. 33 Nr. 1
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler