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18.08.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 518

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

unser heutiges Musikstück können Sie im wahrsten Sinne des Wortes vernaschen, denn "Lohengrin" ist nicht nur eine Oper von Richard Wagner, sondern auch ein Schokoriegel, der in Norwegen Kult-Status besitzt.

11 Zentimeter lang, 34 Gramm schwer, in Silberpapier eingepackt und von einer roten Banderole umhüllt: Das ist Lohengrin, der norwegische Kult-Schokoriegel aus dunkler Schokolade gefüllt mit Rum-Creme. Die norwegische Süßwarenfirma Freia entwickelte 1911 mit dem Osloer Nationaltheater anlässlich einer „Lohengrin“-Premiere die Idee, einen exklusiven Konsumartikel zu entwerfen, den man sich zu besonderen Anlässen wie etwa einem Opernbesuch gönnen könne. Die in Jugendstilform kreierte Süßigkeit wurde schließlich nach Wagners Oper benannt, erstmals zur Premiere selbiger verkauft und fand sogar als Requisite auf der Bühne ihren Einsatz. Nachdem der „Knochen in Silberpapier“ - wie er aufgrund seiner Form genannt wurde - drei Jahre lediglich am Theater verkauft wurde, ging er danach in den öffentlichen Handel. Da sich die Verkaufszahlen in den 70er-Jahren stark reduzierten, erwog Freia eine Einstellung der Produktion, was zu großen Protesten in der norwegischen Bevölkerung führte. Der Riegel überlebte, wurde 2009 sogar durch den norwegischen Kulturschutzverband zum nationalen Kulturgut erklärt und ist mittlerweile die am längsten vertriebene Süßware Norwegens. Wagner sei Dank!

Aber was hat es nun mit der Oper „Lohengrin“ auf sich? Wagner begann im Sommer 1845 während eines Kuraufenthaltes in Marienbad das Libretto zu seinem geplanten Musiktheaterstück zu schreiben. Drei Jahre später war die vollständige Partitur abgeschlossen. Seine letzte romantische Oper, die zugleich Anklänge an ein modernes, durchkomponiertes Musikdrama hat, stellt ein Konglomerat verschiedenster Stoffvorlagen dar: Wolfram von Eschenbachs mittelalterliches Versepos „Parsival“ fand neben dem Lohengrin-Epos von Joseph Görres aus dem Jahr 1813 ebenso Beachtung wie einige der deutschen Sagen der Brüder Grimm und diverse Märchenerzählungen.

Mit dem „Lohengrin“ kam Wagner seiner Idee des durchkomponierten Musikdramas bereits wesentlich näher: Die drei Akte werden - ohne in einzelne Nummern aufgeteilt zu sein - durchgespielt, und es gibt nur noch einzelne arienartige Fragmente, die an die klassische Nummernoper erinnern. Auch Wagners Verfahren der Leitmotivik kommt im „Lohengrin“ bereits in Ansätzen zum Tragen. Den einzelnen Protagonisten werden bestimmte Tonarten und Leitklänge zugeordnet, die sie charakterisieren. So erscheinen Lohengrin und die Sphären der Gralswelt in strahlendem A-Dur, Ortrud und Telramund hingegen werden - nicht durch Zufall - die parallele Molltonart fis-Moll zugeordnet.

Der Inhalt des „Lohengrin“ ist schnell erzählt: Die junge Elsa von Brabant wird von Friedrich von Telramund des Mordes an ihrem Bruder Gottfried angeklagt und findet - da keiner sie verteidigen will - im auf einem Schwan nahenden Gralsritter Lohengrin einen Fürsprecher. Dieser errettet Elsa allerdings nur unter der Bedingung, niemals nach seinem Namen und seiner Herkunft zu fragen. Blindes Vertrauen also vorausgesetzt. „Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte: das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei und weil er so sei, wie er ihm erschiene“, so Wagner selbst in einem Brief an einen Freund. Was bleibt Elsa also anderes übrig, als einzuwilligen? Doch die Sache geht schief. Lohengrin rettet zwar Elsas Leben und die beiden beschließen zu heiraten, aber am Tag der Hochzeit kann Elsa dem Frageverbot nicht mehr standhalten und bricht ihr Wort. Lohengrin, der als göttlicher Ritter stets unerkannt bleiben wollte, verkündet in der berühmten Gralserzählung seine Geschichte und schließlich seinen Weggang. Bevor sich das intrigierende Pärchen Telramund und Ortrud allerdings ins Fäustchen lachen kann, verwandelt sich der nahende Schwan in den totgeglaubten Gottfried, woraufhin Elsa tot zusammenbricht.

Die Liebe, die Vertrauen verlangt, scheitert im „Lohengrin“. Und den Tod durch die Liebe, der in Wagners übrigen Werken zumindest eine metaphysische Erlösung verspricht, gibt es im „Lohengrin“ nicht. Wagner schlussfolgerte einst selber, dass es sich bei dieser Oper um sein einziges wirklich tragisches und trauriges Musiktheaterwerk handelte.

Die Uraufführung fand am 28. August 1850 in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt im Großherzoglichen Hoftheater statt. Wagner konnte selbst nicht dabei sein. Aufgrund seiner Beteiligung am Dresdner Mai-Aufstand wurde er steckbrieflich gesucht und war deshalb aus Deutschland geflohen. An Franz Liszt, der die Uraufführung in Weimar trotz der politisch schwierigen Personalie ermöglicht hatte, schrieb er danach voller Dankbarkeit: „Liebster Liszt, hatte ich recht, als ich in der Vorrede zum "Kunstwerk der Zukunft" schrieb, dass nicht der Einzelne, sondern nur die Gemeinsamkeit wahrhafte Kunstwerke schaffen könnte? Sieh, Du hast das Unmögliche geleistet, aber glaube mir, alle müssen das heutzutage Unmögliche leisten, um das in Wahrheit dennoch Mögliche zustande zu bringen.“

Zu unseren heutigen Empfehlungen: "Lohengrin" in der Inszenierung von Claus Guth war am 7. Dezember 2012 die Eröffnungspremiere zur neuen Saison in der Mailänder Scala, die Besetzung der Hauptpartien: René Pape (König Heinrich), Jonas Kaufmann (Lohengrin); Annette Dasch (Elsa von Brabant), Tómas Tómasson (Friedrich von Telramund), Evelyn Herlitzius (Ortrud) und Željko Lučić (Heerrufer des Königs) sowie Chor und Orchester der Mailänder Scala unter der Leitung von Daniel Barenboim:

www.youtube.com/watch (Erster Aufzug)

www.youtube.com/watch (Zweiter Aufzug)

www.youtube.com/watch (Dritter Aufzug)

Zum Vergleich eine Aufführung der Wiener Staatsoper aus dem Jahr 1990 in der Inszenierung von Wolfgang Weber, in den Hauptpartien sind Placido Domingo (Lohengrin), Cheryl Studer (Elsa), Robert Lloyd (König Heinrich), Dunja Vejzovic (Ortrud), Hartmut Welker (Telramund) und Georg Tichy (Heerrufer des Königs) zu erleben, Chor und Orchester der Wiener Staatsoper werden geleitet von Claudio Abbado:

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss noch eine gefeierte Inszenierung von Christine Mielitz vom Mai 2016 aus der Dresdner Semperoper mit Piotr Beczala (Lohengrin), Anna Netrebko (Elsa), Tomasz Konieczny (Telramund), Evelyn Herlitzius (Ortrud), Georg Zeppenfeld (König Heinrich) und Derek Walton (Heerrufer des Königs) sowie dem Sächsischen Staatsopernchor und der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler


Handlung

Erster Aufzug
König Heinrich ist nach Antwerpen gekommen, um ein Heer für den Kampf gegen die Ungarn auszuheben. Doch zuvor muss er Gerichtstag halten: Friedrich von Telramund verklagt Elsa, die Tochter des verstorbenen Herzogs von Brabant, ihren Bruder Gottfried ermordet zu haben. Elsa schweigt zu den Anschuldigungen. Stattdessen erzählt sie von einem Ritter, der ihr im Traum er­schien und Hilfe versprach.
Ein Gottesgericht soll den Streit entscheiden. Elsa bestimmt den geträumten Ritter zum Kämpfer für ihre Unschuld. Er wird zweimal gerufen, aber nur tiefes Schweigen ist die Antwort.
Endlich wird Elsas Gebet erhört. Von einem Schwan geleitet, erscheint der Erträumte. Er will für Elsa kämpfen und bietet ihr seine Hand, unter der Bedingung, dass sie ihn nie nach Namen und Herkunft fragt. Elsa verspricht es. Der Fremde besiegt Friedrich von Telramund und schenkt ihm das Leben.

Zweiter Aufzug
Telramund und seine Frau Ortrud sind in Acht und Bann getan. Während im Schloss der Sieg des fremden Ritters gefeiert wird, überzeugt Ortrud ihren Gatten erneut von der Rechtmäßigkeit seiner Klage und gewinnt ihn für die gemeinsame Rache.
Telramund soll den Fremden der Zauberei und des Betrugs anklagen, Ortrud ihrerseits wird Elsa verleiten, an der Richtigkeit des Frageverzichts zu zweifeln. Mit geheuchelter Freundlichkeit erschleicht sie sich das Vertrauen der arglosen Elsa.
Am folgenden Morgen wird Elsa zur Hochzeit geleitet. Ortrud stört die Feier und macht der jungen Frau das Recht auf den Vortritt streitig: Telramund habe in Brabant höchstes Ansehen genossen, bevor ihn ein falsches Gericht verbannte. Elsa hingegen könne nicht einmal den Namen ihres künftigen Gatten nennen.
Telramund beschuldigt den fremden Ritter der Zauberei und fordert ihn auf, seinen Namen preiszugeben. Doch der Ritter weist ihn ab: Einzig Elsa muss er diese Frage beantworten. Diese jedoch bekräftigt ihr unbedingtes Vertrauen in den Unbekannten.

Dritter Aufzug
Im Brautgemach finden sich die Liebenden zum ersten Mal allein. Doch die von Ortrud geweckten Zweifel lassen Elsa nicht ruhen. Der Wunsch, Name und Geheimnis ihres Mannes zu ergründen, wird immer mächtiger. Trotz aller Warnungen stellt sie schließlich die verhängnisvolle Frage.
Telramund dringt mit gezücktem Schwert ein und wird von dem unbekannten Ritter getötet.
Am nächsten Morgen beschuldigt der Fremde Telramund des Mordversuchs und klagt Elsa an, ihr Versprechen gebrochen zu haben. Nun ist er gezwungen, sein Geheimnis preiszugeben: Er ist Lohengrin, der Sohn des Grals­königs Parzival. Schon nähert sich der Schwan, um ihn zurückzubringen. Ortrud triumphiert und offenbart, sie selbst habe Elsas Bruder in den Schwan verwandelt. Lohengrin befreit Gottfried aus der fremden Gestalt und ernennt ihn zum neuen Herrscher.

Beitrag von sd