Suche

Musik in schwierigen Zeiten Ansicht

15.01.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 576

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie ein Musikstück, das mir bis Mitte des vergangenen Jahres noch völlig unbekannt war - ebenso die Komponistin: Die Sinfonie Nr. 3 von Louise Farrenc.

Immer mehr Komponistinnen werden zur Zeit wiederentdeckt. Dabei hatte Louise Farrenc deutlich günstigere Bedingungen als die meisten ihrer Kolleginnen und war schon zu Lebzeiten bekannt im Pariser Musikleben. Ihr Weg zum Erfolg ist geradlinig und unerschrocken. Jeanne-Louise Dumont, Kind einer bekannten Bildhauerfamilie, beginnt im Alter von 15 Jahren ein Kompositionsstudium bei Anton Reicha am Pariser Konservatorium. Sie heiratet mit 17 den Flötisten Aristide Farrenc, gründet mit ihm einen Musikverlag. Dort werden ihre Werke gedruckt und finden damit breite Öffentlichkeit. Im Alter von 38 Jahren wird sie zur ersten Klavierprofessorin in der Geschichte des Conservatoire ernannt und unterrichtet 30 Jahre lang junge Mädchen und Frauen.

Zum Gendern hat es für Louise Farrenc noch nicht gereicht. In der Pariser Presse wird sie unter „Komponist“ oder „Autor“ geführt, wenngleich auch mit großer Wertschätzung. Dennoch ist es bezeichnend, dass gerne ihre „männlichen“ Eigenschaften hervorgehoben werden („Sie ist eine große Frau mit vergeistigten Zügen, fast männlicher Erscheinung“). Sie heiratet einen Mann, für den Gleichberechtigung offensichtlich selbstverständlich ist. Und sie kämpft in ihrer Zeit am Conservatoire darum, dasselbe Gehalt wie ihre Kollegen zu bekommen. Mit Erfolg!

Wenn man bedenkt, wie schwer es bis heute Dirigentinnen haben, ins Licht der Öffentlichkeit zu treten, dann wundert es wenig, dass vor 200 Jahren komponierende Frauen als solche nicht wahrgenommen wurden. Wenn sie es taten, taten sie es im Verborgenen und möglichst bescheiden: Lieder, Klavierstücke, ein bisschen Kammermusik. Nicht so Louise Farrenc. Mit der ihr eigenen Unbeirrtheit steuert sie nicht nur viele großartige Klavier- und Kammermusikwerke zum Kanon der damaligen Musikliteratur bei, sondern auch Orchesterwerke, wie etwa drei Sinfonien. Dafür erhält sie 1862 den begehrten „Prix Chartier“ der Akademie der Künste.

Mit ihrer Sinfonie Nr. 3 g-Moll schafft Louise Farrenc ein großes viersätziges romantisches Werk, das seine Vorbilder in den deutschen Meistern findet - wie „Le Ménestrel“ im Mai 1849 schreibt: „Das Werk enthält Schönheiten erster Ordnung. Die Orchestrierung ist reichhaltig, originell und die Melodien werden mit bemerkenswertem Talent entwickelt. Diese Sinfonie strahlt den Duft einer guten Schule aus, die in Frau Farrenc ein langes und ernstes Studium der großen deutschen Meister zeigt.“ Da finden sich Anklänge an Mozart, Mendelssohn und Beethoven. Mit besonderem Gewicht auf den Bläsern - Louises Mann war Flötist!

Der britische Dirigent Duncan Ward gastierte im vergangenen Jahr u. a. mit diesem Werk zu Gast beim NDR Elbphilharmonie Orchester. Bereits am 14. Dezember 2019 führte er das Werk mit dem Aurora Orchestra im Londoner Kings Place auf:

www.youtube.com/watch  

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd