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26.07.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 508

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Musik des 21. Jahrhunderts erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Die Konzertouvertüre "Con brio" von Jörg Widmann. "Tradition und Innovation zu verbinden" hat Jörg Widmann einmal als sein zentrales künstlerisches Anliegen bezeichnet. Beispiele hierfür finden sich in seinen Werken zuhauf, und ein besonders typisches ist "Con brio" aus dem Jahr 2008.

In "irgendeiner Form" auf Beethoven eingehen: Als Jörg Widmann von Mariss Jansons angerufen wurde, der ihn um ein neues Werk bat, war dies die Vorgabe. Widmanns Komposition, die schließlich den Titel "Con brio" erhielt, sollte nämlich zusammen mit zwei Beethoven-Sinfonien aufgeführt werden - genauer: mit der Siebten und Achten. Widmanns Konzertouvertüre nimmt kompositorisch Bezug auf diese beiden Sinfonien, die jeweils einen Allegro-con-brio-Satz enthalten. Bei ihrer Uraufführung durch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde sie auch zwischen diesen beiden Werken gespielt.

Das Vorbild Beethoven schimmert an vielen Stellen der Ouvertüre durch: Mal wird direkt zitiert (zum Beispiel stammen die beiden Akkordschläge zu Beginn aus dem Finale der Achten), anderes klingt ähnlich oder angeeignet. Häufig isoliert Widmann einzelne Elemente der Sinfonien, um sie seinen Klangvorstellungen zu unterwerfen und so zu verfremden: der markante Triolenimpuls aus dem ersten Satz der Siebten, Trompetenglanz und Jagdhornklang, Tonleitern und nackte Akkorde. Zu den auffälligsten Verfremdungsmethoden gehören Atemgeräusche in den Bläsern, Streicher-Glissandi und das Spiel am Steg sowie ein ausgeklügeltes Repertoire an Schlagarten der Pauke - auf weitere Perkussionsinstrumente verzichtet Widmann, um nicht von der klassischen Besetzung abzuweichen.

All dies steht im Dienst einer Motorik, wie sie Beethoven, vor allem in den Ecksätzen der Sinfonien Nr. 7 und 8, auf die Spitze getrieben hat: "Furor und rhythmisches Drängen" nennt Widmann als Ziel seiner Darstellung. Dass da im Extremfall Ton und Klang auf der Strecke bleiben und durch Mundgeräusche ersetzt werden (Schmatzen, Pusten, Anlauten), ist Absicht. Ebenso das ständige Aus-dem-Gleis-Geraten, das Stolpern, die Abkehr vom einmal gefundenen Bewegungsmuster. Denn gerade dieses "Aushebeln von Schwerpunkten" durch eine Vielzahl von Betonungen gegen den Strich geht laut Widmann auf den Sinfoniker Beethoven zurück. Auch hier also: Tradition und Innovation zur Synthese gebracht.

Unsere heutigen Interpreten sind das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung des Komponisten, der Mitschnitt entstand am 21. Mai 2021 in der Kölner Philharmonie:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd