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14.02.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 437

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

dem 50-jährigen Bestehen der St. Matthews-Kirche in Northampton verdanken wir unser heutiges Musikstück, das Pfarrer Walter Hussey 1943 bei Benjamin Britten in Auftrag gab: Das Ergebnis ist die Kantate "Rejoice in the Lamb" op. 30 - ein Stück, das ich immer wieder gerne einstudiere und aufführe.

Britten schlug dem kunstsinnigen Geistlichen für den festlichen Anlass „etwas Lebhaftes“ vor und wählte einige Auszüge aus dem Lobgedicht „Jubilate Agno“ von Christopher Smart (1722 - 1771) aus. Der tief religiöse Dichter hatte das Lobgedicht teilweise in einer Londoner Nervenheilanstalt geschrieben und galt in den Augen seiner Zeitgenossen als geistesgestört. „Jubilate Agno“ wurde erst 1939 veröffentlicht und von der Literaturkritik entdeckt, die fasziniert die scheinbar wirre Aneinanderreihung ungewöhnlicher Lobpreisungen würdigte. Das Gedicht lobt und preist Jesus, das Lamm Gottes, und feiert die göttliche Allgegenwart in den Lebewesen und Dingen der Welt. Britten schrieb für Chor, Solisten und die zurückhaltende Orgelbegleitung rhythmisch exakte, einfache Melodien. Erstmals macht sich in seinem Werk (insbesondere im „Halleluja“) der Einfluss des barocken Komponisten Henry Purcell bemerkbar.

Die Kantate lässt sich in zehn Abschnitte gliedern, die sich durch vielfältige Stimmungen auszeichnen. Nach dem einleitenden feierlichen Unisono-Lobgesang des Chores, der aus geheimnisvoller Ferne zu kommen scheint, erfolgt ein markanter Tempowechsel. Zu schwungvoller, ausgelassener Musik, die ständig zwischen unregelmäßigen Taktarten wechselt, werden verschiedene Gestalten aus dem Alten Testament aufgerufen, Gott zu preisen und sich in ihm zu freuen. Die erste Chorsequenz endet mit einem ruhigen, aber freudigen „Halleluja“. Es folgen drei Soli, die Smarts Kater Jeoffry (Sopran), seiner Widersacherin, der tapferen Maus (Alt), und den Blumen (Tenor) gewidmet sind. Der geliebte Kater wird als Beispiel für die Natur angeführt, die Gott dadurch preist, dass sie einfach das ist, wozu sie der Schöpfer bestimmt hat. Der gleiche Gedanke wird am Beispiel der Maus entfaltet, worauf anschließend die Blumen als „großer Segen“ und „Poesie Christi“ gepriesen werden. Nach diesen Lobgesängen setzt eine leidenschaftliche Klage des Chors ein. Der Dichter bringt seine Probleme und Leiden zur Sprache, aber selbst sein Schicksal bietet ihm schließlich die Gelegenheit zur Lobpreisung Gottes, denn durch Christus wird er erlöst werden. Ein getragenes Bass-Solo zitiert dann aus Smarts mystischem Alphabet und leitet zu einem fröhlichen und lebhaften Chorgesang über, in dem verschiedene Musikinstrumente mit ihren bizarren Reimen ebenfalls Gott preisen. Der Abschnitt klingt mit leiser, langsamer Musik aus, die eine Ahnung von der Ruhe und Heiterkeit der Seele vermittelt. Das Werk endet mit der Wiederholung des Halleluja-Gesangs auf einer zuversichtlichen Note.

Trotz der rasch wechselnden Stimmungen sind die einzelnen Abschnitte in „Rejoice in the Lamb“ durch ein musikalisches Motiv miteinander verbunden. Diese Figur, die sich aus einer fünftönigen aufsteigenden Tonleiter und einem Dreiklang zusammensetzt und die auch Grundlage zahlreicher Kinderlieder ist, vermittelt in Brittens Werk den Eindruck kindlicher Unschuld, wie er auch in Smarts Lobgedicht zum Ausdruck kommt.

Vom internierten Geistesgestörten zum geschätzten Autor: Christopher Smarts Gedicht „Jubilate Agno“ zählt heute zu den bedeutendsten Werken der englischen Lyrik des 18. Jahrhunderts und der Auszug über seinen geliebten Jeoffry gilt als das Beste, was je über einen Kater bzw. eine Katze geschrieben worden ist.

Drei Konzertmitschnitte empfehle ich Ihnen heute - zunächst Chorleiter-Legende Robert Shaw, der Brittens "Rejoice in the Lamb" am 25. Juni 1998 in der First Baptist Church, Greenville (South Carolina) mit den Robert Shaw Festival Singers aufführte, die Solisten sind Donna Carter (Sopran), Jo Anne Taylor (Alt), Brian Leatherman (Tenor), Bruce Tammen (Bass) und Norman McKenzie (Orgel). Es ist eines der letzten Konzerte von Robert Shaw, exakt sieben Monate nach diesem Konzert verstarb er am 25. Januar 1999:

www.youtube.com/watch

Das Ensemble Voces Novae der University of North Texas ist im folgenden Link unter der Leitung von David Edmonds zu erleben. Der Mitschnitt entstand am 23. September 2011, die Solisten sind Julianna Emanski (Sopran), Kara Kasberg (Alt), Nathan Hodgson (Tenor), Andrew Dittman (Bass) und Clinton Bray (Orgel):

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss noch eine Aufführung, die Brittens Kantate in der Orchestrierung von Imogen Holst erklingen lässt: 2018 musizierten in Canterbury Jessica Chan (Sopran), Kevin John (Alt), Nicholas Todd (Tenor), Tom Lane (Bass) sowie The King's School Crypt Choir and Chamber Orchestra unter der Leitung von Will Bersey:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd