Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
Politiker sind ebenso selten als Musiker erfolgreich wie Musiker als Politiker. Heute stelle ich Ihnen eine Ausnahme vor: Ignacy Jan Paderewski und sein Klavierkonzert a-Moll op. 17.
Klaviervirtuose, Weinbauer und Freiheitskämpfer - die Vita des polnischen Komponisten ist so ungewöhnlich wie beeindruckend. Wegen seiner Technik schon als hoffnungsloser Fall abgeschrieben, machte Paderewski trotzdem eine steile Karriere als Pianist und spielte rund 200 Konzerte jährlich. Das Publikum lag ihm zu Füßen, auch wegen seiner Erscheinung: Blonde Locken, weißer Anzug und eine Frisur, die deutlich Franz Liszt nachempfunden war. Wie sein polnischer Landsmann Chopin, startete der 1860 geborene Pianist seine Karriere in Paris, wo sich damals fast der ganze polnische Adel niedergelassen hatte. Nach seiner Ankunft schrieb sein Pianisten-Kollege Alfred Cortot begeistert, in Paris sei ein leuchtender Blitz eingeschlagen: „Hier saß kein Pianist am Klavier, hier hat ein inspirierter Dichter Besitz von der Tastatur genommen“.
Paderewski war 39 Jahre alt, als er sein Klavierkonzert komponierte. Seine Ausbildung als Pianist hatte er bei Theodor Leschetizky in Wien absolviert, der unbestrittenen Kapazität unter den Klavierpädagogen jener Tage. Zuvor hatte er bei Friedrich Kiel in Berlin Komposition studiert. 1888 gelang ihm in Wien der Durchbruch als Pianist, sein Klavierkonzert veröffentlichte er ebenfalls in diesem Jahr. Dennoch blieben Zweifel bei Paderewski: Bezüglich Änderungsvorschlägen und Verbesserungen bat er Camille Saint-Saëns um seine Meinung. Saint-Saëns ließ sich das Konzert vorspielen und befand es dann für absolut perfekt, Änderungen seien keine notwendig. Das Andante gefiel ihm sogar derart gut, dass er bat, es ein zweites Mal zu spielen. Das Konzert wurde, wie vorausgesagt, ein voller Erfolg.
Für das Komponieren fand Paderewski nur selten Zeit, rund zwei Dutzend Werke hat er geschaffen. Darüber hinaus war er auch gesellschaftlich engagiert, förderte als Mäzen junge Musiker und richtete im Ersten Weltkrieg einen Fonds ein, um Kriegsverwundete zu heilen. Als Politiker brachte er es schließlich bis zum polnischen Ministerpräsidenten und Außenminister und vertrat gemeinsam mit Roman Dmowski sein Land bei der Pariser Friedenskonferenz 1919. In dieser Funktion unterzeichnete er sogar den Versailler Vertrag.
In seinem Klavierkonzert von 1888 tritt Paderewski genauso souverän auf wie auf der politischen Bühne, lässt plötzlich jazzige Sequenzen anklingen oder entwickelt aus einem Motiv, das an ein Feuerwehrsignal erinnert, große Musik. Welcher Außenminister oder Ministerpräsident wäre sonst dazu in der Lage?
Unser heutiger Mitschnitt kommt aus Polen: Szymon Nehring musizierte das Werk am 19. Januar 2018 mit der Breslauer Philharmonie unter der Leitung von Giancarlo Guerrero im Nationalen Forum für Musik, als Zugabe erklingt noch die Krakowiak Fantasie op. 14 Nr. 6:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler