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12.07.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 502

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

für diese Ausgabe habe ich wieder einmal eine Beethoven-Klaviersonate ausgewählt: Die Sonate Nr. 17 d-moll op. 31 Nr. 2 "Der Sturm".

In seiner "Sturm"-Sonate lässt Beethoven Urgewalten aufeinander krachen: Da zieht eine dunkle Wolkenfront auf, Blitze zucken, es braust und dröhnt. So gewaltig, ausdrucksstark und radikal hatte davor kaum jemand für Klavier zu schreiben gewagt. Wie frei Beethoven hier mit dem zu seiner Zeit geltenden Regelwerk eines Sonatenhauptsatzes umging, ist schon daran erkennbar, dass Expert:innen sich bis heute nicht einigen können, ob die ersten 20 Takte die Einleitung sind oder schon das erste Thema.

Um 1802 steckte Ludwig van Beethoven in einer tiefen Krise. Durch sein sich verschlechterndes Gehör wurde er schwermütig. Wie Carl Czerny berichtet, zeigte sich Beethoven mit allem, was er bisher komponiert hatte, "nur wenig zufrieden". Den Ausweg aus dieser Lage sah der Komponist schließlich in einem radikalen Stilwandel: Weg mit dem Firlefanz an Konventionen, weg mit äußeren Fesseln, hin zu mehr Freiheit und dem Ausdruck des Ich! Es ist kein Wunder, dass diese ungewöhnliche Musik schon Beethovens Zeitgenossen Kopfzerbrechen bereitete. Anton Schindler bekam auf die Frage nach dem Schlüssel zu diesem Werk von Beethoven selbst - angeblich - die knappe Antwort: "Lesen Sie nur Shakespeares Sturm". Diese Anekdote brachte dem Werk den Titel "Sturm"-Sonate ein.  

Anfang 1802 wird die Sonate fertig. Bei Beethoven geht es da weniger stürmisch zu, eher ziemlich depressiv. Seine zunehmende Taubheit lässt ihn verzweifeln. Er geht für mehrere Monate in Kur. Dort verfasst er mit Anfang 30(!) sein Testament. Körperlich leidend, all seine Musik in Frage stellend und mittelschwer selbstmordgefährdet.

Vier Interpreten habe ich heute für Sie ausgewählt, zunächst Maria João Pires:

www.youtube.com/watch

Es folgt András Schiff, mitgeschnitten 2008 in Tokio:

www.youtube.com/watch

Yevgeny Kissin, aufgezeichnet beim Verbier Festival 2019:

www.youtube.com/watch

Und zuletzt Daniel Barenboim, 2006 in der Berliner Staatsoper Unter den Linden:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd