Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
in der heutigen Ausgabe erwartet Sie die Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 von Johannes Brahms.
Es dauerte lange, bis Brahms sich endlich wagte, eine Sinfonie zu komponieren. Erst mit 43 Jahren schrieb er 1876 seinen sinfonischen Erstling. Auf dem Weg dahin entstanden aber zwei große Orchesterwerke von sinfonischen Dimensionen, zwei Serenaden. Die zweite habe ich Ihnen bereits in Folge 442 vorgestellt.
Die Serenade Nr.1 komponierte Brahms in den Jahren 1857 bis 1860, in einer Zeit, wo er die Herbst-und Wintermonate jeweils am Fürstenhof in Detmold verbrachte als Leiter des Hofchores, als Pianist und als Klavierlehrer. In diesen Jahren beschäftigt er sich auch intensiv mit den Sinfonien von Haydn und Beethoven, deren Einfluss in der Serenade hörbar ist. Joseph Joachim leitete die Uraufführung des Werks 1860 in Hannover. Es wurde allerdings vom Publikum eher kühl aufgenommen, und auch heute steht es - zu Unrecht - eher selten auf dem Konzertprogramm.
Die Serenade D-Dur op. 11 wurde schrittweise vom viersätzigen Nonett (Flöte, zwei Klarinetten, Horn, Fagott und Streichquartett) bis zum sechssätzigen Orchesterwerk erweitert, da Brahms das Ungleichgewicht merkte, das in der ersten Version für Nonett zwischen Gehalt und Besetzung herrschte. Äußerlich zeigen die sechs Sätze klassische, an Mozart erinnernde Anordnung: Zu einer fünfteiligen Bogenform mit einem zentralen Adagio, das von zwei Scherzi flankiert wird, welche wiederum durch die Ecksätze umrahmt sind, tritt nach dem Adagio ein weiterer Tanzsatz, ein Menuett. Doch erfüllt Brahms die Satztypen mit neuem Leben, indem er Haydns Entwicklungslogik mit staunenswerter Konsequenz in seine eigene Klangsprache integriert und zentrale Motive in allen Sätzen verarbeitet, ohne dass dies die vermeintlich bloß heitere Musizierlust beeinträchtigen würde, die das ganze Werk durchzieht.
Rund 45 Minuten, mehr Zeit als bei allen Sinfonien Mozarts und Haydns sowie bei den meisten Sinfonien Beethovens, vergehen wie im Flug - ein Meisterwerk, das Brahms die eigene sinfonische Zukunft erst so recht ermöglicht hat.
Unser heutiger Mitschnitt kommt aus London. Die ehemalige anglikanische Kirche St Luke’s ist seit 2003 als LSO St Luke’s Probenhaus des London Symphony Orchestra. Dort musizierte am 5. Mai 2017 das Faust Chamber Orchestra unter der Leitung von Mark Austin die erste Brahms-Serenade:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler