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28.08.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 672

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Klaviermusik von Robert Schumann steht in dieser Ausgabe im Mittelpunkt, das heutige Werk ist die Klaviersonate Nr. 1 fis-moll op. 11.

Die Entstehungsgeschichte zu dieser Sonate reicht bis in das Jahr 1832 zurück, als er einen „Fandango pour le Piano“ entwarf, möglicherweise um bei seinem Lehrer Friedrich Wieck zu reüssieren. Da diesem die Komposition offensichtlich zusagte, wurde im Sommer 1832 sogar eine Drucklegung geplant, jedoch ohne Erfolg. Stattdessen nutzte Schumann den „Fandango“ nun als Vorstufe zum Allegroteil des Kopfsatzes seiner Klaviersonate op. 11, deren Konzeption 1833 allmählich Gestalt annahm. Im weiteren Verlauf des Jahres setzte Schumann die Arbeit an seiner Sonate fort, ihre vorläufige Endgestalt erhielt sie aber erst zwei Jahre später. Ende August 1835 übergab er der späteren Widmungsträgerin Clara Wieck das Manuskript seines neuen Werkes, dessen Veröffentlichung zunächst scheiterte. Erst ein knappes Jahr später, im Juni 1836, erschien das Werk bei Friedrich Kistner in Leipzig, nachdem Schumann noch einige Änderungen am Finalsatz vorgenommen hatte. Auf dem Titelblatt stand: „Pianoforte-Sonate, Clara zugeeignet von Florestan und Eusebius“.

Nicht seinen eigenen Namen, sondern den der beiden von ihm erfundenen, charakterlich kontrastierenden Gestalten gab Schumann an und schiebt die Autorenschaft somit ab. Eine außergewöhnliche Geste, die nicht zuletzt mit der Unsicherheit des jungen Komponisten gegenüber dem Publikum und der geneigten Kritik zu begründen ist. Ganz besonders aber spielte Schumanns Lebenssituation zu jener Zeit eine Rolle. Im selben Maße, wie sich seine Liebe zur jungen Clara Wieck entwickelte, betrachtete deren ehrgeiziger Vater Friedrich die Verbindung zwischen seiner talentierten Tochter und dem jungen, wenig renommierten Musiker immer argwöhnischer. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Schumanns Klaviersonate hatte Vater Wieck gerade sämtliche Beziehungen zwischen den beiden untersagt. Bis zum Sommer 1837 schirmte er seine Tochter derart rigoros ab, dass ihr jegliche Kontaktaufnahme zu Schumann unmöglich war. Dieser hingegen sandte Clara ein Exemplar seiner Sonate, woraufhin sie - vermutlich unter Druck gesetzt - ihm seine sämtlichen Briefe zurückschickte und um Übersendung der ihrigen bat. Das stürmische Verlangen und die qualvolle Leidenschaft dieser frühen, offensichtlich zum Scheitern verurteilten Liebe fanden auch in der Komposition jener ersten Klaviersonate ihren Niederschlag. So hoffte Schumann, durch Florestan und Eusebius zu erreichen, was er nicht konnte und nicht durfte, setzte sie gewissermaßen als Botschafter seiner Gefühle ein. Tatsächlich fällt der emotionalen Komponente in dieser Sonate eine grundlegende Bedeutung zu.

Der stürmische, fast draufgängerische Florestan wechselt dabei mit dem lyrisch-sanftmütigen Eusebius-Charakter ab, ganz der ambivalenten Verfassung des Komponisten selbst entsprechend. Einige Jahre später, kurz vor der ersehnten Heirat mit Clara im September 1840 schrieb Schumann seinem ehemaligen Lehrer Heinrich Dorn: „Gewiss mag von den Kämpfen, die mir Clara gekostet, manches in meiner Musik enthalten sein. Das Concert op. 14, die Sonate op. 11, die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinah allein veranlasst.“

Die Sonatenhauptsatzform in klassischer Ausprägung sucht man im Kopfsatz der fis-moll-Sonate op. 11 vergebens, stehen doch hier andere Aspekte im Vordergrund. Zitathafte Reminiszenzen gepaart mit engen thematischen Beziehungen bringen die vier einzelnen Sätze der Sonate in eine enge Bindung.

Drei Pianisten stell ich Ihnen heute mit Schumanns fis-Moll-Sonate vor, zunächst Yevgeny Kissin, aufgezeichnet 2002 beim Musikfestival Chorégies d'Orange:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Alexandre Kantorow, aufgenommen am 26. März 2022 im Pariser Auditorium de la Maison de la Radio et de la Musique:

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss noch Robert Neumann in einem Mitschnitt vom Solsberg Festival vom 1. Juli 2023 in der Klosterkirche Olsberg:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd