Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
die Serie "Vater wider Willen", in der ein erfolgreicher Dirigent und seine drei Töchter im Mittelpunkt stehen, lief von 1995 bis 2002 in der ARD. Christian Quadflieg hatte seinen Kittel als Landarzt längst an den Nagel gehängt und schlüpfte nun in die Rolle des Dirigenten Max Oldendorf (und in den Frack). Unser heutiges Musikstück war die Titelmelodie dieser erfolgreichen Serie:
Wer es noch nicht erkannt hat: Heute geht es um Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60.
Zwischen der dritten, der "Eroica" und der fünften, der "Schicksalssinfonie", scheint die vierte beinahe unterzugehen. Sie trägt weder einen Beinamen, noch ranken sich historische oder biographische Mythen um sie. Auch Pathos oder der programmatische Tiefgang anderer Werke des Komponisten fehlt diesem Werk. So wundert es nicht, dass sie, zusammen mit seiner achten Sinfonie, ein Schattendasein führt. Bereits Richard Wagner degradierte sie als "kalte Musik".
Doch wer das Besondere sucht, der entdeckt Beethovens ausgelassene und fröhliche Seite: Musikalische Spielfreude zeichnet das Werk aus. Der landläufig als grimmig gezeichnete Komponist lässt sich in dieser Sinfonie sogar zu musikalischen Scherzen verleiten. Gewidmet ist sie dem Grafen Franz von Oppersdorff; sie erklingt erstmals in einem Privatkonzert im Palais des Fürsten Lobkowitz 1807. Vielleicht ist es die Liebe zu Josephine Brunsvik, die Ludwig van Beethoven 1806 in Wien zu dieser helleren Sinfonie bewegt. Es entsteht ein Werk, das die Leichtigkeit klassischer Sinfonien mit den motivischen und rhythmischen Ideen Beethovens vereint. Seine Vierte ist ein Werk, das vergnüglich, doch nur vermeintlich klassisch (im Sinn von ausgewogen) klingt. Und doch hört man eine Musik, in der das Visionäre, das Revolutionäre in feinen Abweichungen von Erwartungen liegt. Das Brüchige zeigt sich im Verborgenen und erscheint frappierend modern.
Begeistert reagierte das Publikum bei der ersten öffentlichen Aufführung am 15. November 1807 im Wiener Burgtheater. Denn der Klang dieses Werkes entsprach eher dem Zeitgeist als die modernen Kompositionen Beethovens. "Heiter, verständlich und sehr einnehmend", schrieb ein Kritiker über die besondere, vermeintlich weniger bedeutende unter den neun Sinfonien. "Den tiefen, starken Geist dieses Werkes seiner früheren schönsten Zeit zu schildern, hat die Sprache keine Worte", schrieb ein anderer später. "Griechisch-schlank" nannte Robert Schumann einmal diese Sinfonie, über die kaum mehr bekannt ist, als dass sie 1806, dem schaffensreichsten Jahr des Komponisten, entstanden ist.
Meine erste Empfehlung für Sie kommt heute aus Amsterdam: Das Concertgebouworkest Amsterdam spielte Beethovens Vierte 1983 unter der Leitung von Carlos Kleiber:
Und zum Vergleich noch ein Mitschnitt aus dem Jahr 2015 aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Herbert Blomstedt, der in der vergangenen Woche seinen 95. Geburtstag feierte:
Mindestens genauso spannend wie das Konzertergebnis ist die Probenarbeit zu diesem Werk mit Herbert Blomstedt - der Bayerische Rundfunk beobachtete Orchester und Dirigent drei Tage lang:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler