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12.12.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 410

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute steht wieder einmal das Cello im Mittelpunkt: Felix Mendelssohn Bartholdys Cellosonate Nr. 2 D-Dur op. 58 ist unser heutiges Musikstück.

1839 beginnt Mendelssohn die Arbeit an einer neuen Cellosonate. Das Werk wurde allerdings erst Jahre später abgeschlossen und im Herbst 1843 veröffentlicht. Ursprünglich wollte Felix auch diese Sonate seinem Bruder Paul widmen; die Sonate wurde später jedoch Mathieu Graf von Wielhorsky zugeeignet. Er war Zweiter Sekretär der russischen Botschaft und ein vorzüglicher Dilettant, dessen künstlerisch-interpretatorische Fähigkeiten auch Clara Schumann bestätigte, als sie die Sonate Jahre später mit ihm studierte.

Das Werk hat einen hohen technischen Schwierigkeitsgrad, der Kopfsatz atmet einen Grad an Überschwänglichkeit und Leidenschaft, den man sonst wohl nur noch in Mendelssohns vierter Sinfonie, der „Italienischen“, findet. Der Kopfsatz ist von wahrhaft konzertantem Zuschnitt, im 6/8-Puls drängt die Musik voran. Das hurtige Scherzo verkörpert eine Art nächtliches Ständchen, das Cello tupft sanfte pizzicati, singt sich dann aus. Das aufgewühlte h-moll-Adagio beginnt mit einem Klavierchoral, das in ein Cellorezitativ übergeht, bevor beide Teile kombiniert werden. Das Finale gestaltet Mendelssohn sehr brillant und virtuos für beide Instrumente, weit ausgreifend. Robert Schumann kommentierte: „Man findet in ihr Zartes und Kühnes, Einfaches und Kunstreiches, die Kontraste auch mit geübter Hand zu schöner Form zerschmolzen.“

Unser heutiger Solist wurde 1979 in München in eine traditionsreiche Musikerfamilie hineingeboren: Johannes Moser. Die berühmte Sopranistin Edda Moser ist seine Tante und sein Bruder Benjamin ein anerkannter Pianist. Den ersten Unterricht erhielt er bei seinem Vater Kai Moser, sein Studium absolvierte er bei David Geringas an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Schon bevor er im Jahr 2005 dort seinen Abschluss mit Auszeichnung machte, hatte er international auf sich aufmerksam gemacht. So erhielt er den Förderpreis des Schleswig-Holstein Musikfestivals 2001 und belegte 2002 beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb den zweiten Platz. Moser hat mit den bedeutendsten Klangkörpern und Dirigenten unserer Zeit zusammengearbeitet, darunter das London Symphony Orchestra, Gewandhausorchester Leipzig, Royal Concertgebouw Orchestra, Gustavo Dudamel, Vladimir Jurowski, Zubin Mehta  und Christian Thielemann. In den Jahren 2007, 2008 und 2017 erhielt er den ECHO KLASSIK. Seit 2012 unterrichtet Johannes Moser an der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

Im Rahmen einer CD-Aufnahme mit Werken von Mendelssohn schrieb Johannes Moser 2019: "Heute steht der Bundesrat dort, wo die legendären Sonntagsmusiken der Fanny Hensel-Mendelssohn einst erklangen. Das unverwechselbare Gelb der Scharounschen Philharmonie ist von dort gerade noch durch die Schluchten des Sony-Center zu erkennen, gegenüber steht eine gesichts- und geschichtslose Shopping Mall an diesem an wechselvoller Geschichte durchtränkten Ort. Nicht weit von hier, am Gendarmenmarkt, habe ich fünf Jahre lang studiert, habe mich auch auf den Mendelssohn-Wettbewerb vorbereitet, fieberhaft an der zweiten Sonate gearbeitet, bin ganz intensiv eingetaucht in diese üppige Klangwelt zwischen heiterem Salon, geheimnisvollem Nachtstück, religiöser Entwurzelung, und purer Euphorie, ganz ähnlich dem Beginn der Italienischen Symphonie. Den Wettbewerb habe ich dann ein paar Kilometer weiter im Westen der Stadt im Jahr 2001 gewonnen,18 Jahre ist das jetzt her. Auch davor war mir Mendelssohn immer präsent: Als Kind hörte ich meine Mutter im „Lobgesang“, noch vor meinem Studium machte ich als Teenager musikalisch Bekanntschaft mit Fanny, spielte als frühe Kammermusikerfahrung ihr Klavierquartett, kurz darauf dann das Scherzo aus dem „Sommernachtstraum“ und das erste Klaviertrio von Felix. Heute bin ich 39 Jahre alt, ein Jahr älter als Felix zum Zeitpunkt seines frühen Todes. Seine ärztliche Diagnose: Drei Schlaganfälle. Doch in Wahrheit ist er wohl an gebrochenem Herzen zugrunde gegangen, den Tod seiner geliebten Schwester Fanny ein paar Monate zuvor hat er nicht überlebt. Auch sie erlitt einen Schlaganfall, bei einer Probe von Felix’ „Walpurgisnacht“ für eben jene Sonntagsmusiken in Ihrem Salon."

Gemeinsam mit Lorenzo Cossi ist Johannes Moser im folgenden Link mit Mendelssohns Cellosonate Nr. 2 D-Dur op. 58 zu erleben, der Mitschnitt entstand 2012 in der
Jack Singer Concert Hall in Calgary (Kanada):

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd