Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
es gibt unterschiedliche Arten von Freundschaftsbekundungen: bunt bemalte Seiten im Poesiealbum, gute Gespräche oder Freundschaftsarmbändchen. Wolfgang Amadeus Mozart zeigte seine Verbundenheit auf eine ganz besondere Weise - durch Musik. Das Klarinettenquintett A-Dur KV 581 gehört zu diesen musikalischen Freundschaftsbekundungen.
1789 entstand Mozarts Klarinettenquintett - das erste Werk, das Klarinette und Streichquartett miteinander verband. Komponiert hat er es für den Wiener Klarinettisten Anton Stadler, dem er auch das „Kegelstatt-Trio“ und das berühmte Klarinettenkonzert auf den Leib schrieb. Und er schrieb sich mit diesem Ausnahmewerk auch einen Gipfelpunkt im Parnass der Kammermusik, der womöglich alle späteren Klarinettenquintette überstrahlt.
Anton Stadler gehörte im Hause Mozart gewissermaßen zum Inventar. Mozart bezeichnete seinen Freund und Freimaurer-Bruder auch gerne als „Ribiselgesicht“, also als „Johannisbeergesicht“- vermutlich, weil Stadler seinen hochgelobten Klarinettenklang nicht ohne Anstrengung hervorbrachte und sein Gesicht die Farbe der Johannisbeere annahm. Doch bei Mozart gehörten handfeste Ausdrücke zum guten Ton - sozusagen eine weitere Art der Freundschaftsbekundung.
Ebenso wie sein Schwesterwerk, das Klarinettenkonzert, schreibt Mozart sein Quintett in A-Dur. Bewusst wählt er die Tonart mit den drei Kreuzen, die Tonart der Freimaurer, die Tonart seiner Freundschaft zu Anton Stadler. Viel Licht, aber mindestens ebenso viel Dunkelheit - das viel strapazierte Bild des "Lächelns unter Tränen". Bereits mit dem vierten Akkord bricht Mozart die strahlende A-Dur-Stimmung, um eine zweite Ebene einzuführen, den immer mitwandernden Schatten der fis-Moll-Melancholie. Die subtile Trauer seiner späten Werke durchzieht Mozarts Klarinettenquintett wie ein roter Faden. Immer wieder verändern die so typischen Stimmungswechsel den Gestus des Werks.
All das, wovon der Mozart-Bewunderer Richard Strauss so sehr schwärmte, kann man in Mozarts Klarinettenquintett entdecken: den "unerhörten Reiz von Mozarts Melodie, seine Grazie, seine melancholische Heiterkeit", aber auch die Qualitäten des Dramatikers mit dem untrüglichen "Theaterblick dieses unbegreiflichen Genies". Denn diese Musik spielt zwar nicht auf der realen Opernbühne, wohl aber auf einer imaginären, auf der jedes Instrument menschliche Qualitäten bekommt und gemeinsam mit den anderen lebt, liebt und hasst, leidet und jubelt: die "ganze Skala des menschlichen Empfindens" - um noch einmal Strauss zu zitieren - steckt in dieser Musik. Der Dur-Gesang des ersten Satzes wird durch Moll-Eintrübungen gebrochen und bekommt durch Synkopen einen schwankend-instabilen Untergrund; die Abgeklärtheit der himmlisch-schönen Themen im zweiten Satz sind subkutan von tiefer Trauer durchzogen. Menuett und Finale rücken volkstümliche Melodien in direkte Nachbarschaft zu den Idealen der Klassik: erhabene Einfalt und stille Größe.
Drei Konzertmitschnitte empfehle ich Ihnen heute sehr gerne, zunächst Matthias Schorn mit dem Epos:Quartett, aufgezeichnet am 10. April 2021 im Pförtnerhaus Feldkirch:
Zum Vergleich: Sabine Meyer, die im November 2025 ihre Karriere beenden wird, mit dem Armida Quartett, aufgezeichnet am 27. April 2019 im Kursaal in Meran:
Letzte Empfehlung für heute: Sharon Kam mit dem Schumann Quartett, der Mitschnitt entstand am 8. März 2022 im Paul-Sacher-Saal des Musik- und Kulturzentrum Don Bosco in Basel:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler