Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
das heutige Musikstück ist längst überfällig in diesem Newsletter: Die Symphonie fantastique op. 14 von Hector Berlioz. Sie ist zweifellos das berühmteste Werk des französischen Komponisten geworden und eine der berühmtesten Sinfonien überhaupt.
"Noch bin ich unbekannt", schrieb Hector Berlioz im Juni 1829 im Alter von 25 Jahren. Doch er war sich gewiss, mit der Idee zu einem großen Instrumentalwerk den durchschlagenden Erfolg zu erringen. Mit seiner "Symphonie fantastique" schuf Berlioz eine neue Art von Programmmusik; inspiriert wurde er hierzu durch die Literatur Goethes sowie durch Beethovens Sinfonien.
Es ist die sogenannte "Idée fixe" zu den von Berlioz selbst so genannten "Episoden aus einem Künstlerleben": Sie ist das Hauptthema, das den Künstler meint, der in verschiedenen inneren Gemütszuständen seine Geschichte durchläuft. Er erlebt eine unglückliche Liebe zu einer Frau. Dies ist der Ausgangspunkt im ersten Satz von Berlioz’ Programm-Sinfonie, die dramaturgisch unweigerlich und fesselnd ihrem Finale zutreibt. Die einzelnen Sätze lauten: “Träumereien, Leidenschaften”, “Ein Ball”, “Szene auf dem Lande”, “Der Gang zum Richtplatz” und “Hexensabbat”.
Berlioz' "Symphonie fantastique" trägt autobiographische Züge. Es war im September 1827, als der Komponist im Pariser Odéon-Theater die irische Schauspielerin Harriet Smithson Shakespeare spielen sah. Er war so fasziniert, dass er monatelang im Zustand des Deliriums in den Straßen umherirrte, mit den Qualen einer Leidenschaft, die vollkommen aussichtslos erschien. Zwar versteht sich Berlioz' "Symphonie fantastique" als Instrumentalmusik, bedient sich aber Elementen des Musiktheaters, wenn es bspw. um bildhaft-szenische Effekte geht. Instrumente treten aus dem Orchester heraus und sind "derriere la scène" postiert. Berlioz gilt als der erste Komponist, der den Effekt einer "Musik hinter der Szene", wie er sich etwa in der Oper findet, in das Genre der Konzertmusik überträgt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts findet er damit Nachahmer, allen voran Gustav Mahler, in dessen Sinfonien Ferninstrumente bzw. Fernorchester eine wichtige Rolle spielen. Die programm-musikalische Ausrichtung, die lose dramatische Abfolge, die gezielte Verwendung eines Leitmotivs (die "idée fixe") und die Erweiterung des Sinfonieorchesters weisen schon sehr weit voraus auf die romantische Musik Richard Wagners und Franz Liszts.
Es fällt schwer, unter der Vielzahl von verfügbaren Mitschnitten eine Auswahl zu treffen - daher an dieser Stelle nur drei Tipps (und ein Bonus-Tipp). Zunächst ein Mitschnitt von den BBC Proms aus der Londoner Royal Albert Hall mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons vom 8. August 2013:
Zu einem gemeinsamen Konzert fanden sich das Orchestre philharmonique de Radio France und das Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela unter der Leitung von Gustavo Dudamel am 23. Oktober 2009 in der Pariser Salle Pleyel zusammen:
1976 dirigierte Leonard Bernstein eine mitreißende Aufführung im Pariser Théâtre des Champs Élysées mit dem Orchestre National de France:
Und abschließend noch ein Extra-Tipp vom 25. Mai 1969, damals live gesendet: "Berlioz takes a trip" ist eines von vielen Young People's Concerts, die Leonard Bernstein von 1958 bis 1972 mit dem New York Philharmonic veranstaltete. Auch nach über 60 Jahren ist diese Konzerteinführung noch sehr sehenswert:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee
Matthias Wengler