Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
unser heutiges Musikstück stellt die Zuhörer bis heute noch vor große Herausforderungen: Ludwig van Beethovens Große Fuge op. 133.
Die Große Fuge ist zwar nicht Beethovens allerletztes Werk, wird aber gern als Abschluss seines Schaffens verstanden. Entstanden ist sie als Schlusssatz des Streichquartetts op. 130. Doch auf Drängen seines Verlegers ersetzte Beethoven sie später durch ein konventionelleres Finale - und koppelte sie als Solitär unter einer eigenen Opusnummer aus.
Mit der Premiere im Jahr 1826 hätte Beethoven eigentlich zufrieden sein können. Zwei Sätze wurden sogar so bejubelt (damals war es noch üblich, zwischen den Sätzen zu klatschen), dass sie wiederholt werden mussten. Doch die abschließende Fuge ließ das Publikum erstarren. Verzweifelt notierte ein Kritiker: "Den Sinn des fugierten Finales wagt der Referent nicht zu deuten: für ihn war es unverständlich, wie Chinesisch. Wenn die Instrumente in den Regionen des Süd- und Nordpols mit ungeheuren Schwierigkeiten zu kämpfen haben und sich unter einer Unzahl von Dissonanzen durchkreuzen, dann ist die babylonische Verwirrung fertig."
Dieser Eindruck ist auch heute durchaus nachvollziehbar, erst recht in der klanglich üppigeren Orchesterfassung. Motivfetzen und splitternde Kontrapunkte fliegen in alle Richtungen. "Vielleicht wäre so manches nicht hingeschrieben worden, könnte der Meister seine eigenen Schöpfungen auch hören", mutmaßte der Rezensent. Wohl nicht ganz zu Unrecht - Beethoven, bereits total taub, scheint sich keinen Deut um die akustischen Kollateralschäden seiner Satzkunst zu scheren. Für ihn ging es einzig um abstrakte musikalische Logik von radikaler Konsequenz und atemberaubender Kompromisslosigkeit. Eine Herausforderung war und ist das auch für die Musiker:innen. Auf Beethovens Frage, worin die Schwierigkeit des Stücks liege, antwortete der damalige zweite Geiger trocken: "Im Ganzen." Sicher ist: Mit der Großen Fuge ist Beethoven in neue, unbekannte Welten aufgebrochen, in die ihm auf Jahrzehnte niemand folgen konnte.
Hier zunächst ein Mitschnitt der Quartett-Fassung mit dem legendären Alban Berg Quartett, 1989 aufgezeichnet im Wiener Konzerthaus:
Und hier noch die Fassung für Streichorchester, aufgezeichnet am 5. Juli 2019 in der Kölner Philharmonie; es spielt das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste, der mit diesem Konzert seinen Abschied als Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters nahm:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Urlaubsgrüßen aus Dänemark
Matthias Wengler