Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
auch unser heutiges Musikstück zählt zu den Werken, die nur relativ selten im Konzertsaal zu erleben sind: Das Klavierkonzert f-Moll op. 114 von Max Reger.
Max Reger war zeitlebens ein umstrittener Komponist, musikalisch schwer zu verorten zwischen Tradition und Moderne. Sein Klavierkonzert entstand im Juni und Juli 1910 in Leipzig. Obwohl Reger als Universitätsmusikdirektor und Kompositionsprofessor am Konservatorium eine geachtete Person des Leipziger Musiklebens war - umworben von den Verlegern, geschmäht von den Kritikern, aber regelmäßig aufgeführt im Gewandhaus - wurde die Uraufführung seines Klavierkonzerts am 15. Dezember 1910 von der Kritik radikal verrissen.
Das Werk wurde von der Pianistin Frieda Kwast-Hodapp unter dem Dirigat von Arthur Nikisch gespielt. Auch wenn die Presse das Werk als "Fehlgeburt" verwarf, war Reger selbst begeistert und titulierte die Solistin mit dem ihm eigenen Humor scherzhaft als "Frau Kwast-Hutab". Im Februar 1912 schrieb Reger an Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen: "Mein Klavierkonzert wird für Jahre noch unverstanden bleiben; die Tonsprache ist zu herb und zu ernst."
Dass dies nicht so ist, haben musterhafte Einspielungen dieses "Klaviergebirges" von Rudolf Serkin und Marc-André Hamelin bewiesen. Peter Serkin, der Sohn des Pianisten Rudolf Serkin, ist bis zu seinem Tod am 1. Februar 2020 ein unermüdlicher Verbreiter des Reger-Konzerts gewesen. Ich selbst habe ihn 1996 mit diesem Werk mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Seiji Ozawa erleben dürfen.
Regers Klavierkonzert f-Moll ist ein vielleicht nicht ganz leicht verdaulicher, aber doch ein überwältigend delikater, pikant gewürzter Schinken von einem Werk. Die konsequent durchchromatisierte Tonsprache des Komponisten bleibt zumindest für den Otto-Normal-Hörer immer ein Problem, denn weil Regers Melodik fast immer eng verklammert mit seiner intrikaten Harmonik ist, bleiben keine nachsingbaren Melodien im Gedächtnis. Hier scheint eines der wesentlichen Rezeptionsprobleme dieser an sich ja überaus spannenden Musik zu liegen, die Reger nicht allein zu Lebzeiten, sondern auch für die Würdigung durch die Nachwelt penetrant im Wege steht.
Wie auch immer - geben Sie dem Werk (mindestens!) eine Chance. Am 19. Mai 2016 stand das Klavierkonzert anlässlich des 100. Todestags von Max Reger im Leipziger Gewandhaus auf dem Programm. Peter Serkin musizierte mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Herbert Blomstedt:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler