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27.10.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 547

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie wieder einmal ein Werk für Streichorchester: Variations on a Theme of Frank Bridge op. 10 von Benjamin Britten.

Seinen Zeitgenossen war der Komponist und Bratscher Frank Bridge als Künstler recht bekannt. Aus heutiger Sicht kennt man ihn jedoch vor allem in seiner Rolle als Lehrer und Mentor von Benjamin Britten. Bridge begann Britten zu unterrichten, als dieser 14 Jahre alt war, und prägte dessen Entwicklung maßgeblich. In wahren Marathonsitzungen - teilweise begannen diese am Morgen und streckten sich bis hin zur Teatime - verfeinerte er die kompositorischen Fähigkeiten seines Schülers und lehrte ihn, sich „so viel Mühe wie möglich mit jeder Passage, mit jeder Progression, mit jeder Zeile zu geben“ , wie Britten später in einem Interview berichtete. In diesen Sitzungen führte er Britten unter anderem in die vorherrschenden Strömungen des 20. Jahrhunderts ein, war ihm aber auch sonst in vielerlei Hinsicht ein Vorbild. Britten bewunderte seinen Lehrer und war ihm zeitlebens zutiefst dankbar.

„An F. B. - Ein Tribut in Zuneigung und Anerkennung“ - 1932, im Alter von 19 Jahren, wollte Britten diese Dankbarkeit in Form einer Hommage ausdrücken und begann mit der Arbeit an seinen Variationen über ein Thema von Frank Bridge, die er jedoch nicht vollendete. Erst fünf Jahre später griff er die Idee erneut auf, als ihn der englische Dirigent Boyd Neel für einen Auftritt des von ihm gegründeten Kammerstreichorchesters bei den Salzburger Festspielen um eine Komposition bat. Dass das britische Streichorchester auch ein britisches Werk aufführen würde, war Bedingung für den Auftritt. Britten nahm an, und binnen eines Monats war die Partitur fertig.

Das Thema der Variationen entlehnte Britten aus der zweiten der Drei Idyllen für Streichquartett op. 6 seines Lehrers. Es ist ein kurzer, wehmütiger Walzer, der durch eine mehrdeutige harmonische Welt driftet, die sich rastlos zwischen Dur und Moll bewegt, und Anklänge an die disparate Musik von Elgar und Ravel hat. Dieses Thema wird dann in 10 Variationen in eine Reihe von Parodien „übersetzt, transformiert, übertragen und verklärt" : Beispiele hierfür sind die von Rossini inspirierte „Aria Italiana“, ein Wiener Walzer in der Art von Ravels La valse, der herbe, von einer mahlerschen Intensität durchdrungene "Trauermarsch" und eine „Bourrée Classique“, die auf die neoklassischen Komponisten dieser Zeit anspielt. Die Variationen sind jedoch nicht nur Pastiches verschiedener europäischer Musikstile und -gattungen, sondern auch Charakterstudien Bridges. Britten wollte die vielen Seiten seines Lehrers festhalten, „Integrität … Energie … Charme … Witz … Fröhlichkeit“ und im letzten Satz auch ihre gegenseitige „Zuneigung“ . Bridge jedenfalls verstand die Botschaft: „Ich weiß nicht, wie ich meine Wertschätzung in angemessener Weise ausdrücken soll“ , schrieb er später an seinen einstigen Schüler.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt wieder einmal aus Amsterdam. Brittens Bridge-Variationen wurden am 9. September 2020 von der Amsterdam Sinfonietta im Concertgebouw aufgeführt:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von SD