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24.10.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 844

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

eines der letzten Werke, an denen Béla Bartók im New Yorker Exil arbeitete, ist unser heutiges Musikstück: Das Klavierkonzert Nr. 3.

Der ungarische Komponist, Pianist und Musikethnologe Béla Bartók war 1940 als Gegner des Faschismus zusammen mit seiner zweiten Ehefrau in die USA immigriert und hatte sich in New York niedergelassen. Doch die schwierigen Lebensumstände, die Bartók als renommierter und geehrter Künstler in Ungarn nicht gewohnt war, belasteten ihn schwer und führten zu einer dreijährigen Schaffenspause. Aber trotz einer Leukämie-Erkrankung war er in seinen letzten Lebensmonaten wieder außerordentlich produktiv. Während eines Sanatoriumsaufenthalts arbeitete er 1945 an dem dritten Klavierkonzert und verstarb dabei. 

Bartók schrieb sein Klavierkonzert im Sommer mit der Absicht, es seiner Frau Ditta am 31. Oktober zum Geburtstag zu schenken. Trotz seiner schwer Krankheit schaffte er es, die Partitur fertigzustellen, allerdings mit Ausnahme der letzten 17 Takte, die er in einer Art musikalischer Kurzschrift niederlegte. Diese letzten 17 Takte wurden von seinem Freund und Schüler Tibor Serly entziffert und orchestriert. In Bartóks Partitur waren kaum Vortragsbezeichnungen und Tempoangaben und überhaupt keine Metronomangaben zu finden. Wäre er am Leben geblieben, hätte er das Konzert mit Sicherheit so sorgsam bearbeitet, wie es seine Gewohnheit war.

Der Solist der Uraufführung mit dem Philadelphia Orchester unter Eugene Ormándy war kurz darauf der ungarisch-amerikanische Pianist György Sándor, der das Werk folgendermaßen kommentierte: "Es hat ein wunderbares inneres Gleichgewicht, ist voll Humor, in sich vollends erfüllt. Während das erste Klavierkonzert sich mit dem Problem der Oktaven auseinandersetzt, das zweite mit den Akkorden, verzichtet das dritte völlig auf Effekte."

Tatsächlich schließt Bartók nicht an den progressiven Gebrauch rhythmisch-melodischer Elemente aus der ungarischen Volksmusik und an die schlagzeugartige Behandlung des Klaviers seiner vorherigen Konzerte an. Er wendet das Fenster auf nur schmalen Durchzug. Seine Klangästhetik ist weniger aggressiv als milde. Harmonisch macht sich das in der bevorzugten Verwendung von dur-moll-tonalen Dreiklängen und der Vermeidung von Dissonanzen bemerkbar. Der luzide, ornamentreiche Klaviersatz verzichtet auf hämmernde Akkordik, es überwiegen Legatospiel und ruhigere Bewegungsabläufe.

Bartóks drittes Klavierkonzert trägt alle Züge eines kompositorischen Testaments und hebt sich von seinen beiden Vorgängern durch Leichtigkeit und menschliche Wärme ab: Im "Adagio religioso" des Mittelsatzes zitiert Bartók den "Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit" aus Beethovens Streichquartett op. 132 und unterstreicht so das Bekenntnishafte seines letzten Werks.

Unser heutiger Konzertmitschnitt entstand am 21. Juli 2011 im Rahmen der BBC Proms in der Londoner Royal Albert Hall. András Schiff musiziert mit dem Hallé Orchestra unter der Leitung von Mark Elder:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd