Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute erwartet Sie die Vertonung eines grausamen Märchens: Antonín Dvořáks sinfonische Dichtung "Die Mittagshexe" op. 108.
"Die Mittagshexe" ist die zweite von vier Sinfonischen Dichtungen, die Antonín Dvořák auf der Grundlage von Märchen des tschechischen Folklore-Sammlers Karel Jaromír Erben schuf. Sie fallen in eine späte Schaffensphase im Jahr 1896, als der Komponist aus den USA wiederkehrt und er sich erstmals der Gattung der Sinfonischen Dichtungen widmet - Dvořák selbst nannte sie Balladen. Er legte die Mittagshexe in einer den Sätzen einer Sinfonie ähnelnden Form an.
Die Handlung ist ein grausames Märchen, in dem Dvořák erst ein morgendliches Familienidyll farbenreich im Orchester malt. Dieses wird durch Tonrepetitionen in der Oboe gestört, welches Kindergeschrei symbolisiert. Die Mutter beruhigt das Kind zuerst, doch droht sie später mit der Mittagshexe, die unartige Kinder hole. Die Situation eskaliert und schließlich erscheint die Hexe. Man vermöchte den grauenhaften Schatten zu erstatten in diesen seltsam humpelnden, ungewohnten und ungeahnten harmonischen Fortschreibungen, beschrieb Leoš Janáček diesen langsamen Teil voller Dissonanzen. Der Tanz der Hexe und der Kampf der Mutter wird von Dvořák in einem Scherzo gezeichnet. Hier erfolgt eine expressive Verflechtung aller vorgestellten Motive. Schließlich schlägt die Glocke zwölfmal und die Hexe greift nach dem Kind. Der Vater kehrt heim und weckt die Mutter aus der Bewusstlosigkeit. Beide realisieren den Tod des Kindes, welches die Mutter in ihrer schützenden Umarmung erstickt hat und es erklingt das Triumphgeheul der Hexe.
Zusammen mit "Der Wassermann" und "Das Goldene Spinnrad" wurde "Die Mittagshexe" 1896 in privatem Kreis am Prager Konservatorium aufgeführt. Ein knappes halbes Jahr später erfolgten erste öffentliche Aufführungen in London. Mit Leoš Janáček und Gustav Mahler fanden die Sinfonischen Dichtungen Dvořáks große Fürsprecher. So nannte sie Janáček die tschechischsten von Dvořáks Werken.
Hier zunächst ein Mitschnitt mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern unter der Leitung von Pietari Inkinen, aufgezeichnet am 12. Dezember 2021 in der Congresshalle Saarbrücken:
Zum Vergleich: Das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Cornelius Meister, aufgezeichnet am 2. Juni 2023 in WDR Funkhaus Köln:
Und als letzter Tipp: Das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada, aufgezeichnet am 9. Dezember 2016 in der Alten Oper Frankfurt:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler