Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
Kammermusik von Robert Schumann erwartet Sie heute mit seiner Violinsonate Nr. 2 d-Moll op. 121.
Nicht weniger intensiv leidenschaftlich als die Violinsonate a-Moll ist die Violinsonate in d-Moll. Obwohl Schumann sie schließlich Ferdinand David gewidmet hat, einem Violinisten, der eng mit Mendelssohn und dem Leipziger Gewandhaus verbunden war (für David hatte Mendelssohn sein bekanntes Violinkonzert komponiert), wurde das Stück bei einem Konzert am 29. Oktober 1853 von Joseph Joachim und Clara Schumann uraufgeführt. Dieses Konzert stand am Beginn einer musikalischen Partnerschaft, die mehrere Jahrzehnte währen sollte. Gegen Ende des Jahres schrieb Joachim begeistert an seinen Freund Arnold Wehner, seines Zeichens Musikdirektor in Göttingen: "Das rührende Aufgehen seiner Clara in seinen Gedanken kennst Du; es ist für mich eine eigene Seligkeit gewesen, mit ihr die Compositionen ihres Robert zu spielen, und meine Gedanken haben oft Dich hinzugewünscht, an ihr Teil zu haben. Nicht unterlassen will ich aber, dich auf die neue Sonate (d-Moll) aufmerksam zu machen, die nächstens bei Breitkopf & Härtel erscheint, und die wir aus dem Korrekturexemplar gespielt haben; sie ist für mich eine der schönsten Schöpfungen der neuern Zeit, in ihrer herrlichen Einheit der Stimmung und Prägnanz der Motive. Sie ist voll hoher Leidenschaft - fast herb und schroff in ihren Accenten -, und der letzte Satz könnte an eine Seelandschaft mahnen in seinem herrlichen Auf- und Niederwogen."
Das Werk beginnt mit einer majestätischen, langsamen Einleitung. Aus dem melodischen Umriss seiner ersten Akkorde (sie kehren am Ende der Exposition des Allegros auf eine Art wieder, die eine enge Tempobeziehung zwischen den beiden Abschnitten nahelegt) geht das Eröffnungsthema des Hauptteils des Satzes hervor; und selbst das breitere zweite Thema bietet kaum einen echten Stimmungskontrast. Beide Subjekte werden zusammen mit einem synkopierten absteigenden Tonleitermotiv, das sie trennt, in der turbulenten zentralen Durchführung ausgiebig erkundet, und in der Coda wächst die Erregung der Musik weiter an.
Während Schumann seiner a-Moll-Sonate einen zentralen langsamen Satz im Stil eines Intermezzos und ein Scherzo in einem gegeben hat, enthält dieses weniger prägnante Gegenstück zwei in sich geschlossene Binnensätze, die dennoch eng verbunden sind. Der zweite Satz, das Scherzo mit seinem treibenden 6/8-Rhythmus, ist ein Stück, das offenbar den jungen Brahms tief beeindruckt hat: Sein frühes Scherzo in c-Moll für Violine und Klavier ist von der Stimmung her sehr ähnlich. Schumanns Scherzo erreicht seinen Höhepunkt mit der einleitenden Phrase der Choralmelodie „Gelobet seist du, Jesu Christ“, die fortissimo von beiden Interpreten dargebracht wird - ein Vorgriff, wie sich herausstellt, auf das sanfte Serenadenthema des nachfolgenden Variationssatzes. Umgekehrt erinnert die vorletzte Variation des dritten Satzes sowohl an die Figuration als auch an das Material des Scherzos; und ihre Coda verbindet die angesprochenen Stücke noch enger, so dass sie unentwirrbar verstrickt erscheinen.
Wie der einleitende Satz ist das Finale mit seinen von Joachim so treffend beschriebenen klanglichen Gewoge ein stürmischer Sonatensatz. Diesmal jedoch bietet das eher lyrische zweite Subjekt echte Erholung von der vorherrschenden Eindringlichkeit der Musik; außerdem hat die Musik eine erweiterte Coda in Dur, deren mühsam erworbener Glanz für einen herrlichen Abschluß des ganzen Werks sorgt.
Zwei Konzertmitschnitte empfehle ich Ihnen heute sehr gerne, zunächst mit Leonidas Kavakos und Yuja Wang, aufgezeichnet am 22. November 2014 in der New Yorker Carnegie Hall:
20 Jahre zuvor musizierten Gidon Kremer und Martha Argerich dieses Werk - hier der Mitschnitt vom 6. November 1994 aus der Suntory Hall in Tokio:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Dortmund
Matthias Wengler