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15.04.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 762

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

ein Klavierstück von Maurice Ravel, das er später auch orchestriert hat, erwartet Sie in der heutigen Ausgabe zum Beginn der Karwoche: Pavane pour une
infante défunte.

„Pavane für eine entschlafene Infantin“ nannte der junge Maurice Ravel ein 1899 komponiertes kleines Klavierstück nur aus zwei Gründen: er schrieb es für die Prinzessin Edmonde de Polignac, für die ein aristokratischer Bezug wohl angemessen schien, und er hatte Spaß an der Alliteration, die sich aus den französischen Worten „infante“ und „défunte“ ergab. Dennoch hat man den Titel, zumal nach der Uraufführung der orchestrierten Version 1911, stets programmatisch verstanden. Tatsächlich könnte man die barockisierende Melodielinie dieses sehr langsamen Tanzes als eine spanische Pavane des 17. Jahrhunderts deuten - in ihren zarten Vorhalten und ihrer ritterlich gefassten Haltung.

Nach der Uraufführung 1902 errang das einfache, aber wirkungsvolle Werk eine beispiellose Popularität, die sich nicht zuletzt in den zahllosen Bearbeitungen niederschlug. Jean Cocteau meinte zu diesem Stück: „Heutzutage kaufen die jungen Mädchen statt des "Gebets einer Jungfrau" die "Pavane pour une infante défunte".“ Die schwermütige Traurigkeit betörte aber sicherlich nicht nur junge Mädchen. Die gedämpfte Bläsermelodie, die tänzerisch wiegende Begleitung der Streicher, die subtil schillernde Instrumentierung schmücken die ursprüngliche Klavierkomposition prächtig aus und berühren in ihrer sinistren Melancholie auch heute noch die Zuhörer. Was Ravel betraf, hat er jedoch gar keinen Gedanken an eine „entschlafene Infantin“ verschwendet. Er selbst hasste später dieses Musikstück und seinen Erfolg: „zu viel Einfluss von Chabrier und eine ziemlich ärmliche Form“ lautete sein vernichtendes Urteil.

Drei Versionen stelle ich Ihnen heute zur Auswahl, zunächst die Klavierfassung mit Seong-Jin Cho, der in diesen Wochen mit Ravels Gesamtwerk für Klavier solo in zahlreichen deutschen Städten zu hören ist - am 27. April auch in Hannover:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich Bertrand Chamayou, ebenfalls in der Fassung für Klavier solo:

www.youtube.com/watch

Und zum Abschluss noch die Orchesterfassung mit dem Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen, aufgezeichnet in der Londoner
Royal Festival Hall am 29. Oktober 2020:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd