Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
morgen ist Heiliger Abend - und exakt 600 Ausgaben früher habe ich Ihnen zu Weihnachten 2020 bereits unser heutiges Musikstück empfohlen, auf das ich heute aus gegebenem Anlass noch einmal zurückkomme: Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium BWV 248.
Ein paar einleitende Sätze zu diesem Werk: Das Weihnachtsoratorium besteht aus einem Kantaten-Zyklus, dessen sechs Teile an den damals drei Weihnachtsfeiertagen, dem Neujahrsfest, dem Sonntag nach Neujahr und dem Epiphaniasfest aufgeführt wurden. Durch seine Bildungsreise in den Norden ist Bach schon 1705 mit ähnlich groß angelegten musikalischen Formen in Berührung gekommen. Für die Weihnachtsfeierlichkeiten der Leipziger Hauptkirchen St. Nicolai und St. Thomae zur Jahreswende 1734/35 komponierte er nun selbst eine solche Großform.
Insgesamt versprühen die sechs Kantaten eine anhaltende Jubelstimmung, ein Umstand, der möglicherweise auch dem weltlichen Ursprung einzelner, beinhalteter Stücke geschuldet ist. Bach komponierte nämlich nicht das gesamte Material für sein Weihnachtsoratorium neu. Ein Großteil der Arien und nicht-choralgebundenen Chöre stammt aus zwei Huldigungskantaten für das sächsische Herrscherhaus, die schon 1733 entstanden sind und ihrerseits wiederum auf früheres Material zurückgreifen. Bach übernimmt die Musik, arbeitet sie leicht um und unterlegt sie mit einem neuen Text. Aus „Tönet ihr Pauken, erschallet Trompeten“ (BWV 214) wird „Jauchzet, frohlocket“, der imposante Eingangschor des Oratoriums, bei dem noch immer zuerst die Pauken, dann die Trompeten einsetzen. Parodie nennt man dieses Verfahren, das der gängigen Praxis des Barockzeitalters entsprach.
Nur einmal wurde das Weihnachtsoratorium zu Bachs Lebzeiten aufgeführt. Die erste Wiederaufführung durch die Berliner Singakademie erfolgte erst im Jahr 1857 und fand zunächst nur zögerliche Verbreitung. Langsam konnte das Werk schließlich seinen Siegeszug antreten, heute wird es selten auf verschiedene Feiertage verteilt aufgeführt, viel häufiger finden Teilaufführungen der Kantaten I-III und IV-VI statt.
Im vergangenen Jahr hat die Propsteikantorei Königslutter gemeinsam mit der Kantorei Schöppenstedt das Werk komplett aufgeführt - die Kantaten 1 bis am 22. Dezember im Kaiserdom in Königslutter, die Kantaten 4 bis 6 eine Woche später am 29. Dezember in St. Stephanus in Schöppenstedt. Vor der Aufführung der Kantaten 1 bis 3 fand am Nachmittag noch ein moderiertes Familienkonzert zu Bachs Weihnachtsoratorium im Kaiserdom statt.
Mein Weihnachtsgeschenk an Sie: Die Konzerte im Kaiserdom wurden vom prospect-Studio-Label-Verlag Andreas Lamken aufgezeichnet - und wenn Sie mögen, können Sie beide Aufführungen ab sofort zuhause genießen. Die Mitwirkenden sind Martina Nawrath (Sopran), Mika Bergmann (Alt), Manuel König (Tenor), Marco Vassalli (Bass), die Kantorei Schöppenstedt (Einstudierung: Julian Heider), die Propsteikantorei Königslutter, Heike Kieckhöfel (Continuo), Julian Heider (Orgel, Lieder zum Mitsingen beim Familienkonzert) und die Camerata Instrumentale Berlin unter meiner Leitung.
Hier der Link zum Familienkonzert:
Und hier der Link zum Abendkonzert mit den Kantaten 1 bis 3:
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und grüße Sie alle herzlich aus Braunschweig
Matthias Wengler