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04.09.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 525

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

eine Sinfonie, die ich bereits mehrfach aufführen durfte und immer noch zu meinem Lieblingswerken zählt, ist die Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485 von Franz Schubert.

Am 16. Juni 1816 notierte Franz Schubert in seinem Tagebuch: „Oh Mozart, unsterblicher Mozart, wie viele, oh wie unendlich viele wohltätige Abdrücke eines lichteren, besseren Lebens hast du in unsere Seelen geprägt!“ Im September desselben Jahres schrieb er seine fünfte Sinfonie.

Die Berufung auf Mozart ist bemerkenswert: Immerhin hatte Schubert als Sängerknabe der Hofmusikkapelle (als Schüler Antonio Salieris) und als Musiker eines Liebhaberorchesters nicht nur die Werke Haydns und Beethovens, sondern auch die anderer Zeitgenossen (Krommer, Kozeluch und Rossini) kennengelernt. Doch Mozarts Leben und Schaffen galt ihm stets als unerreichbares Vorbild. Es wäre sicherlich falsch anzunehmen, Schubert habe sich in seinen sechs Jugendsinfonien an Mozarts Stil orientiert. In der fünften Sinfonie erinnert der kammermusikalische Klang an das Vorbild. Es gibt im Orchester keine Pauken, Trompeten, Klarinetten, nur eine Flöte - vermutlich aus praktischen Erwägungen, weil für die private Aufführung des Werks nur eine beschränkte Zahl von Musikern zur Verfügung stand. Aber Schuberts unkonventionelle formale und harmonische Lösungen, seine ausgeprägt persönlichen Satz-Charaktere und melodischen Ideen sind der klassischen Tradition entwachsen und signalisieren bereits das Zeitalter der Romantik. Entgegen der Zustimmung, die Schuberts Sinfonien heute erfahren, urteilte seinerzeit der berühmte Musikkritiker Eduard Hanslick, die Sinfonie sei „ein schwacher Abguss von Mozart“.

Das Pathos einer langsamen Einleitung gibt es in seiner fünften Sinfonie nicht, das Allegro führt sofort in eine Stimmung heiterer Anmut. Man findet hier eine prächtige Synthese von klassischer Form mit durchaus schon romantischer Kantilene und Harmonik. Das Motiv des Hauptthemas gibt sich heiter und wird vom Bass auch imitiert. Ein besonderer Wurf ist Schubert mit dem Andante con moto gelungen. Auch hier stand Mozart Pate, die Innigkeit des Themas erfährt jedoch keine Trübung durch Gegenführungen, die bei Mozart sicher zu finden gewesen wären. Das kraftvolle Menuett steht überraschenderweise in g-Moll, eine Hommage an Mozart, der ja zwei Sinfonien in dieser Tonart schrieb. Es wird von einem wiegenden, ländlerartige Trio in G-Dur ergänzt, das sich auf bordunartige Basstöne stützt. Der Finalsatz ist ein leidenschaftlich-lebendiges Allegro vivace mit überraschenden Kontrasten. Rein formal nimmt Schubert einen einfachen Sonatensatz zur Hand, dem er durch ein Bündel lebhafter Melodien ein sinfonisches Gewand verpasst.

Schubert schrieb seine fünfte Sinfonie im Alter von 19 Jahren. Sie entstand für das Liebhaberorchester des Musikers Otto Hatwig. Bereits im Herbst 1816 fand eine private Aufführung der Sinfonie statt; die erste öffentliche Aufführung erfolgte am 17. Oktober 1841, ebenfalls in Wien. Schubert hat übrigens keine seiner Sinfonien jemals in öffentlichen Konzerten gehört; sie wurden zu Lebzeiten des Komponisten nie öffentlich gespielt. Lediglich im privaten Kreis wurden die Jugendsinfonien aufgeführt. Und auch da war Schubert nur selten Zuhörer: Er musste selbst im Orchester die Bratsche spielen.

Unser heutiger Konzertmitschnitt kommt aus Kiel. Im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals spielte am 24. August 1997 im Kieler Schloss das NDR Sinfonieorchester (heute: NDR Elbphilharmonie Orchester ) unter der Leitung von Günter Wand:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd