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15.05.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 477

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie ein Klavierwerk eines Komponisten, der vor allem durch seine Orgelwerke populär wurde: Prélude, Choral et Fugue von César Franck.

Francks ursprünglicher Plan war, seinem Schüler Vincent d’Indy nach, lediglich ein Präludium und eine Fuge zu schreiben, jene ehrwürdigen von Bach verewigten und seit Mendelssohn vernachlässigten Formen, die eine sichtlich ernste Alternative zu der Fülle von den damals so beliebten Virtuosenstücken waren. Nachdem er fast 40 Jahre lang vorwiegend Orgelmusik und von kirchlichen Texten inspirierte Werke geschrieben hatte, war für Franck das Bachsche Vorbild eine Bestätigung, dass abstrakte Formen profaner Musik dennoch eine geistliche Identität geben können. Je weiter Franck von spezifisch kirchlicher Musik abrückte, desto klarer und reiner schien seine geistliche Vision zu werden.

Der Entschluss, einen mittleren Satz einzubauen, welcher von Präludium und Fuge getrennt war, sie aber dennoch miteinander verband, wurde, so d’Indy, später gefasst. Vielleicht war hier wieder Bachs Einfluss am Werk - man denke an die wehmütigen langsamen Zwischenspiele seiner Klavier-Toccaten, von Francks zuletzt verwendeter Bezeichnung Choral ganz zu schweigen. Jedenfalls wurde dieser mittlere Satz zum emotionalen Kern des Stückes, wurde doch dessen Hauptthema als Symbol für die Erlösung und als Vereinigungsprinzip angewendet, um die Fuge auf ihren Höhepunkt zu bringen.

Die scharfe Bemerkung Saint-Saëns’ in seiner Druckschrift „Les idées de M. Vincent d’Indy“, dass der Choral kein Choral und die Fuge keine Fuge sei, ist jedoch verfehlt, denn bei Franck sind sowohl Präludium als auch Fuge zum Symbol, ja zur Apotheose ihrer akademischen Pendants geworden. Der Pianist Alfred Cortot beschreibt die Fuge im Rahmen des gesamten Werkes so: „Sie entsteht eher aus einer psychologischen Notwendigkeit als aus einem Musik-
Kompositionsprinzip.“ Es ist, als wäre für Franck die Fuge (Symbol der geistigen Strenge) die einzige Möglichkeit, eine Stimme zu finden, welche die zögernden, abgebrochenen Seufzer des Präludiums oder die qualvolle, synkopierte Klage des Chorals voll auszudrücken vermag. Die Kontrapunktregeln stellen dem Komponisten quasi eine Form zur Verfügung, wodurch das Unsagbare gesagt werden kann.

Das Triptychon Prélude, Choral et Fugue ist als Spätwerk César Francks geprägt von dessen intensiver und auch improvisatorischer Tätigkeit als Organiste Titulaire an Sainte Clotilde in Paris mit einer der großen sinfonischen Orgeln von Aristide Cavaillé-Coll. Trotzdem ist diese Komposition ganz dem Klavier eigen und nutzt alle Facetten dieses doch ganz anderen Instruments.

Unser heutiger Mitschnitt entstand 2014 beim Festival de La Grange de Meslay, es spielt Nikolai Lugansky:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd