Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute steht der letzte der drei Liederzyklen von Franz Schubert im Mittelpunkt: Schwanengesang D 957.
Über 600 Lieder hat Schubert komponiert. Sie brachten eine ganz neue Musiksprache mit sich: Dichtung, Gesang und Begleitung standen gleichberechtigt nebeneinander. Schubert hatte selbst nie vor, die sieben Lieder nach Gedichten von Ludwig Rellstab und die sechs Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine, die heute unter dem Titel "Schwanengesang" bekannt sind, zu einem Zyklus zusammenzufassen. Auf diese Idee kam - zwei Monate nach Schuberts Tod - der geschäftstüchtige Verleger Tobias Haslinger. Und weil er wohl abergläubisch war, fügte er den dreizehn Liedern ein vierzehntes hinzu: die berühmte "Taubenpost" nach einem Text von Johann Gabriel Seidl, Schuberts letzte Komposition überhaupt.
Die 14 Lieder entstanden alle im Jahr 1828, im Todesjahr Schuberts. Heute ist der "Schwanengesang" als Werkgruppe anerkannt, auch wenn der Zyklus keinen erkennbaren erzählerischen roten Faden besitzt. Jedes Lied ist eine Kostbarkeit für sich und erzählt auf seine Weise aus dem Seelenleben der Romantik; die Gedichte fanden in Schubert einen genialen Tonsetzer, der den wechselnden Stimmungen auf packende Weise Ausdruck verlieh.
Nicht zwingend ist bei Aufführungen von Schuberts letztem Liederzyklus "Die Taubenpost" auch das letzte Lied - auch die Reihenfolge der übrigen Lieder ändert sich je nach Wahl des Interpreten. Hermann Prey und Leonard Hokanson eröffneten 1986 in ihrer Fernsehaufzeichnung sogar mit der "Taubenpost", darauf folgten die Heine-Lieder, den Abschluss bildeten die Rellstab-Lieder. Ebenfalls werden bei einigen Aufführungen auch noch weitere Lieder hinzugefügt - das vorletzte Lied "Herbst" zählt nicht zu Schuberts "Schwanengesang":
Für eine Fernsehproduktion aus dem Jahr 2020 wählten Julian Prégardien und Martin Helmchen die Rellstab-Lieder aus Schuberts "Schwanengesang" aus.
Die Gedichte Ludwig Rellstabs thematisieren Liebesverlust und Liebessehnen des lyrischen Ich auf romantisch-schwärmerische Art. Teils freundlich, teils melancholisch gestimmt, muten sie wie Nachlesen zu Schuberts Zyklen nach Gedichten von Wilhelm Müller an:
Der Ton abgrundtiefer Verzweiflung bleibt den Rellstab-Vertonungen fremd. Er bricht sich erst im zweiten Teil des „Schwanengesangs“, in den sechs Heine-Liedern, Bahn. Die Verse des gleichaltrigen Dichters (aus dessen „Buch der Lieder") waren 1827 erschienen, gerade noch rechtzeitig, um eine späte Zäsur in Schuberts Schaffen auslösen zu können. Noch einmal hatte der Komponist einen Poeten gefunden, der ihn herausforderte, ihm mehr bot als einprägsame, mühelos in Musik umsetzbare sprachliche Bilder. Heine war der Dichter, der das für Schubert und seine Generation beherrschende Gefühl weltschmerzlicher Zerrissenheit am schärfsten erfasste. Entsprechend drastisch, illusionslos und schockierend in ihrer klanglichen Realistik gerieten die Vertonungen.
Christoph Prégardien und Ulrich Eisenloher musizierten die sechs Heine-Lieder am 5. April 2019 in der Alten Oper Frankfurt:
Eine weitere Aufführung darf ich Ihnen für den 18. November empfehlen: Marco Vassalli und ich komplettieren an diesem Abend die Aufführung der Schubert-Liederzyklen mit dem "Schwanengesang", der Abend wird eröffnet mit Vertonungen aus Goethes Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" - seien Sie hierzu herzlich willkommen:
Sonnabend, 18. November 2023, 18:00 Uhr, Stadtkirche, Königslutter
Liederabend
Franz Schubert: Schwanengesang D 957
Der Sänger D 149 * Gesänge des Harfners D 478 - 480
Marco Vassalli, Bariton * Matthias Wengler, Klavier
Eintritt: 20 € / 10 € ermäßigt für Schüler/Studenten; Vorverkauf:
Buchhandlung Kolbe - Sarinas Bücher- und Spieleparadies / www.coramclassic.de
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler