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01.03.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 596

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

in unserer Reihe "Letzte Werke" dreht sich heute alles um die Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105 von Jean Sibelius.

Mit seiner siebten Sinfonie  wollte Sibelius die Gattung der Sinfonie in eine völlig andere Richtung entwickeln. Das Werk besteht aus einem durchgehenden Satz - und bildet auf diese Weise eine Fantasie für Orchester, ein dichtes Gewebe von aufeinander bezogenen Motiven.

Diese Siebte ist in mehreren Schüben entstanden. Jean Sibelius arbeitete an ihr bereits während der Kriegsjahre 1914/1915, dann erneut 1918 und schließlich 1923/24. Formal erscheint das Werk wie eine Suche nach neuen Möglichkeiten. Dabei wendet er ein Verfahren an, das sich bereits im 19. Jahrhundert findet, aber bei Sibelius zu neuen klanglichen Ausdrucksformen geführt wird: die "Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit". Was beispielsweise Franz Liszt in seiner h-Moll-Klaviersonate entwickelt hat, führt Sibelius auf sinfonischem Gebiet weiter. Herkömmliche Modelle, wie das Schluss-Rondo, werden mit dem Fluss des Ganzen verschmolzen.

Obwohl die Partitur der siebten Sinfonie den Zusatz "in einem Satz" aufweist, ist noch deutlich die ursprünglich mehrsätzige Anlage des Werks zu erkennen, das mit einer Spielzeit von gut 20 Minuten zu den kürzesten Kompositionen der Gattung zählt: Dem weit ausschwingendem eröffnenden Adagio, das an seinem Ende zusehends beschleunigt wird, folgt ein knapper, als Scherzo gedachter Mittelteil (Vivacissimo). Sowohl thematisch als auch mit seinem vergleichsweise gelassen anmutenden Ausdruckscharakter hebt sich davon das Finale (Allegro molto moderato) ab. Die einzelnen Abschnitte werden dabei verbunden von einem erhabenen, choralartig angelegten Posaunen-Thema, das dreimal wiederkehrt und beim letzten Erklingen die hymnische Schlusscoda einleitet.

Äußerlich betrachtet nähert sich die Siebte also der freien, einsätzigen Form der sinfonischen Dichtung an - und bezeichnenderweise sollte Sibelius danach mit "Tapiola" noch einmal einen Beitrag zu genau dieser Gattung liefern, als sein letztes großes Werk, bevor er als Komponist verstummte - drei Jahrzehnte vor seinem Tod. Uraufgeführt wurde die siebte Sinfonie am 24. März 1924 in Stockholm vom dortigen Philharmonischen Orchester mit dem Komponisten am Pult. "Ein großer Erfolg. Mein neues Werk ist schon eines meiner besten", schrieb Sibelius nach der Uraufführung an seine Frau. Statt dem ursprünglichen Titel "Sinfonia Fantastica" entschied sich der Komponist, die Komposition schlicht als "Sinfonie" zu betiteln. Es wurde seine letzte.

Drei Mitschnitte empfehle ich Ihnen heute sehr gerne, zunächst Leonard Bernstein mit den Wiener Philharmonikern, aufgezeichnet 1988 im Wiener Musikverein:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Das Radio-Symphonieorchester Schweden unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen, aufgenommen im Jahr 2000:

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss: Das Mahler Chamber Orchestra unter der Leitung von Daniel Harding, aufgezeichnet am 30. Juli 2013 im Rahmen der BBC Proms in der Londoner Royal Albert Hall:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd