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10.09.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 817

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

eine der frühen und weniger bekannten Opern von Giuseppe Verdi erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: "Stiffelio". 

Ehebruch und Scheidung, noch dazu im Haus eines (protestantischen) Geistlichen - die Zensur in Italien läuft Sturm Mitte des 19. Jahrhunderts und lässt Giuseppe Verdis Oper "Stiffelio" nach ihrer Uraufführung 1850 in Triest nie mehr in der von ihm und seinem Librettisten Francesco Maria Piave gewollten Originalversion aufführen.

Giuseppe Verdi hatte es nicht leicht mit seiner Oper "Stiffelio". Kurz vor der Uraufführung 1850 in Triest legten die Zensoren ein Veto ein und erzwangen an entscheidenden dramatischen Stellen Änderungen am Libretto. Die Oper, deren zentrale Figur, der protestantische Pastor Stiffelio, von seiner Frau betrogen wird und der ihr trotz rasender Eifersucht und Wut öffentlich in einer Kirche verzeiht, war zu viel für die Zensoren der Zeit. Sie sahen in ihr wohl etwas, "was den öffentlichen Anstand, die Schamhaftigkeit, die Moral oder die Religion beleidigt" und untersagten die Aufführung der Oper in der ursprünglichen Form.

Sowohl Verdi als auch sein Librettist Piave lehnten die Änderungen ab. Die wenigen Aufführungen der verstümmelten Fassung liefen nicht gut. Schließlich bat der Komponist am 17. Februar 1856 seinen Verleger Ricordi, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Verdi und Piave machten sich daran, aus "Stiffelio" eine andere, weniger zensuranfällige Oper zu machen: "Aroldo", uraufgeführt 1857. Ungefähr die Hälfte der Musik für "Aroldo" stammt aus "Stiffelio". Somit konnte zumindest ein Teil von "Stiffelio" bis heute im Archivio Ricordi bewahrt werden.

Vollständige Partituren der Oper blieben nicht erhalten. Verdi selbst hatte ganze Passagen entfernt, um für die neue Musik in "Aroldo" Platz zu schaffen. Versionen, die noch im Ricordi-Archiv lagerten, fielen den Bombardierungen Mailands durch die Alliierten im August 1943 zum Opfer. Erst 1968 fand die erste Neuinszenierung der Oper seit 1855 im Teatro Regio in Parma statt, weitere folgten. Für eine Kritische Edition war jedoch noch nicht genug Material da. Erst, nachdem weitere Partitur-Fragmente in verschiedenen Archiven gefunden wurden, konnte "Stiffelio" 1993 wieder so aufgeführt werden, wie Verdi die Oper ursprünglich konzeptioniert hatte.

Die Handlung in Kürze, ausführlich wie gewohnt am Ende dieser Ausgabe: Der evangelische Priester Stiffelio muss nach seiner Rückkehr von einer Reise erkennen, dass seine Frau Lina ihn mit seinem Freund Raffaele betrogen hat. Er macht den Weg für die beiden frei, auch wenn Lina Stiffelio immer noch liebt und nur aus Einsamkeit in die Arme Raffaeles geflüchtet war. Doch seine Vergebung kommt zu spät: Linas Vater Stankar hat den Verführer seiner Tochter bereits getötet. Als Lina ein halbes Jahr später unvermittelt bei einem Gottesdienst wieder in der Gemeinde auftaucht, vergibt Stiffelio auch ihr.  

Zwischen den bekannteren Opern "Luisa Miller" und "Rigoletto" entstanden, ist "Stiffelio" ein Werk Giuseppe Verdis, das es verdient, wiederentdeckt und bekannter zu werden. 

Der heutige Mitschnitt kommt aus London. Elijah Moshinsky inszenierte "Stiffelio" 1993 am Royal Opera House Covent Garden mit José Carreras (Stiffelio), Catherine Malfitano (Lina), Gregory Yurisch (Stankar), Gwynne Howell (Jorg), Lynton Atkinson (Federico), Adele Paxton (Dorotea) und Robin Leggate (Raffaele); Chor und Orchester des Royal Opera House musizieren unter der Leitung von Sir Edward Downes:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd