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05.04.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 460

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

viele Komponisten wie Hector Berlioz, Sergej Rachmaninoff und Camille Saint-Saëns waren von der aus dem Mittelalter überlieferten "Dies Irae"-Tonfolge fasziniert. Franz Liszt legte dieses Motiv unserem heutigen Musikstück zugrunde: Der Totentanz für Klavier und Orchester.

Die Musik übernahm in der Romantik in einem Ausmaß, wie man es sich bis dahin nie erträumt hatte, eine illustrative Funktion, und insbesondere sind viele von Liszts Klavierwerken dann besonders reich an bildhafter Metaphorik, wenn die natürliche Welt beschworen wird (plätschernde Bäche, Sommergewitter, Vogelgezwitscher usw.). Oft waren Kompositionen - speziell die von Liszt - von einem weiteren Kunstwerk inspiriert, das einer anderen Gattung angehörte und meist aus einer anderen Zeit stammte. Der Totentanz (eine Vision, so beängstigend wie kaum ein anderes Werk, das Liszt geschaffen hat) hat seine Form und seinen Charakter im Wesentlichen aus einem besonders schaurigen Fresko von Andrea Orcagna erhalten. Orcagna war Maler, Bildhauer, Baumeister und Dichter im 14. Jahrhunderts, sein Fresko nannte er "Triumph des Todes".

Zu dem starken Reiz, den dieses Fresko auf Liszt ausübte, trug unter anderem bei, dass es sehr alt war. So maßlos die Romantiker gegen die Grundsätze der jüngeren Vergangenheit aufbegehrten, empfanden und vermittelten sie doch eine beinahe ritualisierte Nostalgie im Hinblick auf die ferne Vergangenheit, die sie ein ums andere Mal beschworen. Kein Wunder also, dass Liszt als Grundstein seines Totentanzes das Dies irae gewählt hat, die grimmige mittelalterliche Sequenz aus der Totenmesse, deren Verwendung durch Berlioz in seiner Symphonie fantastique sowie durch Rachmaninoff in seiner Rhapsodie über ein Thema von Paganini weithin bekannt ist. Das ganze Werk ist eine Folge von Variationen über das grausige Thema.

Liszts Totentanz wurde am 23. Mai 2014 in der Alten Oper Frankfurt mit Bertrand Chamayou und dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Jérémie Rhorer aufgeführt:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd