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20.12.2022 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 415

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

Musik für Streicher aus England, die zu Unrecht eher unbekannt ist, erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Introduction and Allegro op. 47 von Edward Elgar.

Mit seinen Enigma-Variationen und seiner ersten Sinfonie stieg Edward Elgar um die Jahrhundertwende zum Nationalhelden auf. Seine Erste war genau genommen überhaupt die erste nennenswerte englische Sinfonie - komponiert in einer Zeit, in der sich manch deutsch-österreichischer oder französischer Komponist von dieser Gattung gerade lossagte. Doch gerade die Titulierung als Nationalheld birgt Missverständnisse. Denn allzu oft wird Elgars Wirken auf das Heroische reduziert. Den Elgar, den kennt man - denkt man. Und bringt seinen Namen meist nur mit seinem "Pomp & Circumstances March No. 1" in Verbindung, der die Vorlage für die Hymne "Land of Hope and Glory" bildete, also für die Melodie, die neben "Rule, Britannia" und "God save the Queen" zum musikalischen Heiligtum der Engländer gehört. Doch damit wird man ihm nicht gerecht.

Elgars Schaffen hat weitaus mehr als solcher Art Kräftigungs-Musik zu bieten - zum Beispiel dieses Werk für Streichquartett und Streichorchester. Für das frisch gegründete London Symphony Orchestra schrieb er 1904/1905 eine "regelrechte Teufelsfuge mit allen möglichen Späßen und Kontrapunkten". Das Stück gibt uns einen Einblick in sein Schaffen vor der ersten Sinfonie. Und das lohnt sich. Hier hören wir einen Elgar, der schon seinen typischen Hymnen-Ton vorbereitet, allerdings auf eine feine, noble, bisweilen zurückhaltende Art, die mit der Fugenform in der Tat Späße treibt. In der Bratsche präsentiert er eine volksliedhafte Melodie, die er bei einem Wales-Urlaub aufgeschnappt hatte, und verknüpft in der Folge geschickt die Möglichkeiten einer kammermusikalischen Besetzung mit denen eines größeren Streichorchesters, womit er an das barocke Concerto grosso erinnert.

Das Werk erlebte seine Uraufführung am 8. März 1905 in London. Elgar dirigierte das Stück in einem Konzert des London Symphony Orchestras in der Queen’s Hall. Die gedruckte Partitur ist "seinem Freund, dem Professor S. S. Sanford, Yale University, USA“ gewidmet, wohin Elgar im Sommer 1905 gereist war, um einen akademischen Ehrengrad entgegenzunehmen.

Drei Mitschnitte empfehle ich Ihnen heute gerne, zunächst mit der Amsterdam Sinfonietta, die Elgars Werk am 10. Dezember 2016 im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg aufführte:

www.youtube.com/watch

Der zweite Mitschnitt stammt aus Boston. Das Ensemble A Far Cry musizierte Elgars Introduction and Allegro am 23. September 2016 in der Jordan Hall:

www.youtube.com/watch

Und als letzte Empfehlung noch ein Mitschnitt aus Neuseeland: Am 3. Oktober 2019 spielte das Auckland Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Douglas Boyd Elgars Opus 47:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd