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01.07.2025 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigenZeiten - 793

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

wie bereits in den vergangenen Jahren sind auch dieses Mal die Sommerwochenenden für das Musiktheater reserviert. Heute geht es los mit Leoš Janáčeks Oper "Das schlaue Füchslein".

Brünn, 6. November 1924. Die Oper "Das schlaue Füchslein " wird im Nationaltheater uraufgeführt. Die längste Zeit seines Lebens galt er als Brünner Eigenbrötler mit einer Schwäche für mährische und slowakische Folklore. Erst in einem Alter, da sich andere ins Rentenalter zurückziehen, startete Janáček seine internationale Karriere als Komponist und machte mit seiner charakteristischen Klangsprache Furore. Die war so "tierisch gut", dass sie auch von Libellen, Eulen und Füchsen verstanden wurde.

Seine Haushälterin saß in der Küche und lachte bei der Zeitungslektüre so laut über die Zeichnung eines verliebten Fuchspaares, dass Janáček der Sache auf den Grund gehen wollte. So stieß der Komponist auf die illustrierte Fortsetzungsgeschichte von Rudolf Těsnholídek über die Erlebnisse eines Försters und anderer Dorfhonoratioren sowie einer Schar von trippelnden und fliegenden Waldestieren, die den Menschen in ihren Verhaltensweisen verblüffend ähnlich sind. Die Heldin dieses frühen "Comic-Strips" ist die Füchsin Bystrouska, eine emanzipierte Fuchsdame. Als kleines Füchslein wird sie vom Förster gefangen, erweist sich aber als wenig haustiertauglich und flieht nach einem Massaker im Hühnerstall zurück in den Wald. Dort besetzt sie die komfortable Wohnung des Dachses und vermählt sich mit dem vornehmen Fuchs Goldrücken, mit dem sie eine zahlreiche Nachkommenschaft zeugt.

Janáček sah in der Geschichte mehr als bloße Satire. Er erkannte darin die Verflechtung von Mensch- und Tierwelt mit ihrem gemeinsamen Aufgehen im Kreislauf von Werden und Vergehen. In seiner pantheistischen Umformung der amüsanten Tierfabel fällt die Füchsin am Ende einem Wilderer zum Opfer. In der letzten Szene begegnet der alte Förster wiederum einem kleinen Füchslein - der "Mutter wie aus dem Aug‘ gefallen" - und begreift das Wunder der ewig jungen Natur. Impressionistischer Klangfarbenreichtum, schnell wechselnde Taktarten, slawischer Volkstonfall und kleingliedrige Motive sind die Hauptmerkmale dieser ungewöhnlichen Opernpartitur, die im Jahr ihrer erfolgreichen Uraufführung einen klaren Schritt in die musikalische Moderne bedeutete. Das "schlaue Füchslein" könne eben nur "Kaninchen fressen, keine Arien und Romanzen" singen - meinte Janáček über die wohl einzige Oper, in der ein Frosch das letzte Wort hat. Den ausführlichen Inhalt finden Sie am Ende dieser Ausgabe.

Janáček begab sich für diese Oper oft zu Naturstudien ins Freie, wo er eine ganze Reihe Vogelgesänge - von Drosseln, Spatzen, Finken und Amseln - aufzeichnete. Er notierte Stimmen von Taube, Kröte und Frosch mit der instrumentalen Anmerkung „wie Xylofon“. Er beobachtete Tiere und vermerkte im Notizbuch seine Eindrücke von Spaziergängen durchs Wildgehege, wo der Förster sogar einen Fuchsbau mit Jungtieren aufspürte, damit der Komponist sie beobachten und studieren konnte.

Zwei Aufführungen stelle ich Ihnen heute zur Auswahl - zunächst aus dem Jahr 1995 aus dem Pariser Théâtre du Châtelet. Die Hauptpartien in der Inszenierung von Nicholas Hytner sind besetzt mit Thomas Allen (Förster), Eva Jenis /Füchslein), Hana Minutillo (Fuchs), Libuše Márová (Förstersfrau/Eule), Ivan Kusnjer (Wilderer), Richard Novák (Pfarrer/Dachs), Josef Hajna (Schulmeister/Mücke), Jean-Philippe Marlière (Gastwirt/Hund), Sarah Connolly (Gastwirtin/Hahn/Eichelhäher), Florence Bonnafous (Henne) und Françoise Martinaud Specht). Es spielt das Orchestre de Paris unter der Leitung von Sir Charles Mackerras:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich eine Inszenierung, die Operngeschichte geschrieben hat: Walter Felsenstein inszenierte "Das schlaue Füchslein" an der Komischen Oper Berlin. 1965 wurde die über viele Jahre erfolgreiche Inszenierung verfilmt, in den Hauptpartien sind zu sehen: Rudolf Asmus (Förster), Irmgard Arnold Fuchs (Füchslein), Manfred Hoff (Dackel),  Wener Enders (Schulmeister), Josef Burgwinkel (Pfarrer/Dachs), Ruth Schob-Lipka (Förstersfrau/Eule) und Frank Folker (Hahn); es spielt das Orchester Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Vaclav Neumann:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Urlaubsgrüßen von der Nordsee

Matthias Wengler

Handlung

1. Akt
Der Förster legt sich bei einem Gang durch den Wald zum Schlafen nieder. Um ihn herum regen sich die großen und kleinen Tiere des Waldes. Beim Erwachen sieht er eine kleine Füchsin. Er fängt sie und nimmt sie mit nach Hause, zum Spielen für seine Kinder.
Die Füchsin wächst in der Försterei neben dem Hund auf, der sich längst an ein Leben mit den Menschen gewöhnt hat. Der Sohn des Försters und sein Freund triezen das Tier, die Füchsin beißt daraufhin den Jungen. Zur Strafe wird die Füchsin im Hof an die Leine gelegt. Nun stachelt die Füchsin die Hühner zur Revolte gegen die Menschen an. Als sie merkt, dass die Hühner völlig in ihrer Rolle als Nutztier aufgehen, beißt sie ihnen reihenweise die Kehlen durch und nimmt Reißaus.

2. Akt 
Im Wald vertreibt die Füchsin den Dachs aus seinem Haus und lässt sich dort nieder.
Im Wirtshaus sitzen Förster, Schulmeister und Pfarrer beim Bier zusammen. Der Förster verspottet den Schulmeister wegen seiner Schwärmerei für eine gewisse Terynka. Der stichelt mit dem Hinweis auf die entlaufene Füchsin zurück. Die drei Männer treten beim anbrechenden Morgen den Heimweg an. Der Pfarrer erinnert sich an eine verlorene Jugendliebe, der Schulmeister hält eine Sonnenblume für die unerreichbare Terynka, und der Förster meint, die Füchsin im Gebüsch zu sehen.
Vor ihrer neuen Behausung trifft die Füchsin einen Fuchs, und die beiden verlieben sich ineinander. Schon bald ist Nachwuchs unterwegs, und die Tiere des Waldes feiern die Hochzeit von Fuchs und Füchsin.

3. Akt 
Im Wald trifft der Förster auf den Hühnerhändler Harašta, der gerade einen toten Hasen „gefunden“ hat. Um von dem Vorwurf der Wilderei abzulenken, erzählt Harašta, dass er demnächst Terynka heiraten wird. Der Förster legt den Hasen als Falle für die Füchse aus. Die Füchsin und der Fuchs, die jetzt zahlreiche Kinder haben, durchschauen die Falle sofort. Frech provoziert die Füchsin Harašta, während ihre Kinder den Hühnerkorb plündern. Harašta schießt wütend in die herumspringende Fuchsschar. Die Füchsin wird getroffen und stirbt.
Im Wirtshaus sitzen nur noch Förster und Schulmeister, denn der Pfarrer ist in eine andere Stadt versetzt worden. Der Schulmeister trauert Terynka hinterher. Den Förster zieht es erneut in den Wald.
Im Wald erinnert sich der Förster an seine Jugend und nimmt zum ersten Mal wieder die Schönheit der Natur wahr. Er hält Ausschau nach dem Füchslein, doch es ist eine neue Generation von Tieren, die sich um ihn herum regt.

Beitrag von sd