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05.12.2023 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schweirigen Zeiten - 558

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

heute erwartet Sie mal wieder ein Werk aus der Kammermusik: Die Sonate Nr. 1 e-Moll op. 38 für Violoncello und Klavier von Johannes Brahms.

Im Februar 1865 stattete Josef Gänsbacher seinem Freund Johannes Brahms in dessen Wiener Wohnung einen Besuch ab. Näherkommend konnte er Klaviermusik hören: Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen. Brahms war erst vor kurzem aus Hamburg vom Sterbebett seiner Mutter zurückgekehrt. Und als Gänsbacher nun den Raum betrat, sah er, dass Brahms, während er spielte, „Tränen über die Wangen flossen“.

Gänsbacher war Gesangslehrer, aber auch ambitionierter Hobbycellist. Lange nahm man an, Brahms habe seine e-Moll-Cellosonate als eine Art Dankeschön geschrieben, nachdem Gänsbacher ihm ein Manuskript von Schuberts Wanderer-Fantasie besorgt hatte. Tatsächlich aber hatte Brahms die ersten drei Sätze einer Cellosonate bereits 1862 geschrieben. Sicher ist, dass er im Juni 1865 ein Finale komponierte und die vollendete Sonate dann Gänsbacher widmete.

Eröffnet wird das Werk von einem lyrischen Kopfsatz, in dem Brahms das dunkle, tiefe Register des Cellos voll auskostet, ehe sich der Satz gleichsam aufschwingt in einen glühenden Sonnenuntergang. Das Menuett nimmt sowohl die Stelle eines sprunghaften Intermezzos als auch die eines langsamen Satzes ein. Und dann das Finale: eine ungestüme Ausarbeitung eines Themas, das eine eigentümliche Ähnlichkeit mit dem Contrapunctus XIII aus Bachs Kunst der Fuge aufweist. Ein Verweis auf jene sehr persönliche Begegnung früher im Jahr? Bei der Aufführung „seiner“ Sonate, begleitet von Brahms selbst, beschwerte sich Gänsbacher, dass er sich kaum gegen den Klaviersatz durchsetzen und sich selbst nicht hören könne. „Glücklicherweise!“ soll Brahms missmutig gebrummelt haben.  

Unsere heutigen Interpreten sind Maximilian Hornung und Herbert Schuch, der Mitschnitt entstand am 13. Februar 2021 in der Kölner Philharmonie:

www.youtube.com/watch

Zum Vergleich: Miklós Perényi und András Schiff, aufgezeichnet am 18. Mai 2008 im Konzertsaal der Budapester Franz-Liszt-Akademie:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd