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06.11.2024 Kategorie: Musik in schwierigen Zeiten

Musik in schwierigen Zeiten - 700

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

für die Jubiläumsausgabe zum heutigen Reformationstag habe ich ein Chorwerk ausgewählt, das schon seit langer Zeit auf meiner Liste steht - eine eigene Aufführung dieses Werks liegt noch vor mir, ist aber in den kommenden Jahren dringend erwünscht: Die Große Messe c-Moll KV 427 von Wolfgang Amadeus Mozart.  

Mit der “Großen Messe” wich Wolfgang Amadeus Mozart von seiner Gewohnheit ab, nur mit einem konkreten Auftrag zu schreiben. Tatsächlich entstand das Werk von den Wintermonaten 1782 an, kurz nachdem er seine Stellung in Salzburg verloren hatte und sich in Wien als freier Komponist versuchte. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Werk nicht vollendet wurde. Jedenfalls hätte es in diesem Fall Ausmaße annehmen können, die Beethovens Missa Solemnis oder auch Bachs h-Moll-Mess hätten erreichen können. Trotzdem bleibt die Faszination für diesen Geniestreich ungebrochen.

Mozart hatte viel Bach gehört. Der mit ihm befreundete Baron Gottfried van Swieten, seines Zeichens Präfekt der Wiener Musikbibliothek, hatte ihm einige berühmte barocke Partituren aus der Feder des Leipziger Meisters, von den dessen Söhnen und aus Händels Werkstatt zum Studium überlassen. Der junge Komponist war gefesselt von den Kunstwerken der Vergangenheit und arbeitete einige der Gestaltungsideen seiner Vorgänger in die c-Moll-Messe ein und orientierte sich an vielen Stellen deutlich an der barocken, kontrapunktischen Formkunst. Doch trotz Feuereifer und Experimentierlust blieb das Werk unvollendet, ein Teil des Credos und das Agnus Dei fehlen. Die Gründe dafür sind ungeklärt, ebenso wie der unmittelbare Anlass der Entstehung. So hatte Mozart beispielsweise wenige Monate bevor er sich ans Werk machte, im August 1782 die von ihm geliebte Constanze Weber geheiratet und die Liaison mit einem persönlichen Gelübde verknüpft, eben eine Messe zu schreiben, wenn die Hochzeit zustande käme.

Da seine Angetraute einen strahlenden Sopran hatte und bei der Uraufführung des (nicht ganz vollständigen) Werkes am 26. Oktober 1783 in der Salzburger Peterskirche die Solostimme übernahm, lässt sich auch erklären, warum gerade diese Partien mit besonderer Sorgfalt gestaltet wurden. Außerdem schien er, wie so oft, seinem Vater mit dem Werk gefallen zu wollen, der die Verbindung mit Constanze missbilligte. In einem Brief vom Januar 1783 schrieb er an Leopold: “Ich habe es in meinem Herzen wirklich versprochen, und ich hoffe es auch wirklich zu halten … zum beweis aber der wirklichkeit meines versprechens kann die spart von der hälfte einer Messe dienen, welche noch in der besten hoffnung da liegt.”

Über die Umstände der Premiere selbst ist einiges bekannt. Mozarts ehemaliger Dienstherr, der Fürsterzbischof Colloredo, hatte aufwändige Messvertonungen untersagt und so musste der Komponist auf die Peterskirche ausweichen, die nicht unmittelbar im Einflussbereich des geistlichen Potentaten lag. Die Reaktionen auf die Aufführung waren verhalten und so blieb die c-Moll Messe gemeinsam mit dem Requiem das letzte geistliche große Orchester- und Chorwerk, mit dem Mozart sich kompositorisch beschäftigte. Seiner Bedeutung für die Musikgeschichte tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die Nähe zur kontrapunktischen Barockmusik auf der einen und der formalen Kunst der italienischen Oper auf der anderen Seite, macht die Messe zu einem immens reizvollen Konzertstück.

Drei Konzertmitschnitte empfehle ich Ihnen heute sehr gerne - zunächst die letzte Zusammenarbeit von Leonard Bernstein mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Aufzeichnung fand im April 1990 in der Stiftsbasilika Waldsassen statt, die Solisten sind Arleen Auger, Frederica von Stade, Frank Lopardo und Cornelius Hauptmann:

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Zum Vergleich der Mitschnitt des Nobel Prize Concerts aus dem Jahr 2008 mit Mia Persson, Ann Hallenberg, Helge Rønning, Peter Mattei, dem Monteverdi Choir, dem Eric Ericson Chamber Choir und dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner:

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Und zum Schluss noch ein Mitschnitt aus dem Münchner Prinzregententheater. 2018 musizierten dort Christina Landshamer, Anke Vondung, Steve Davislim, Tobias Berndt, der Chor des Bayerischen Rundfunks und die Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Howard Arman:

www.youtube.com/watch

Morgen erwartet Sie dann noch eine Sonderausgabe zum Start unserer Musik-Filmreihe "Faszination Klassik" - bis dahin wünsche ich Ihnen und Euch allen einen schönen Reformationstag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von sd