Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
Klaviermusik erwartet Sie in der heutigen Ausgabe: Robert Schumanns Waldszenen op. 82. Schumann selbst zählt sie zu seinen besten Kompositionen, auch Publikum und die Fachpresse sind sich einig in ihrem Lob, dennoch steht dieser fein gezeichnete Zyklus von neun Stücken eher selten auf den Konzertprogrammen.
Die Waldszenen sind ein Zyklus fragmentarischer Werke, die innerhalb weniger Tage über Neujahr 1849 entstanden; es sollte Schumanns letzter großer Zyklus für Klavier solo bleiben. Der Wald, der hier erkundet wird, war ein urromantisches Thema, sei es für Schriftsteller, Dichter, Künstler oder Musiker. Die Anziehungskraft des Waldes lag in seinen Gegensätzen - die Natur als wunderschöner, aber auch unergründlicher Ort. Doch geht es hier um mehr, da diese Stücke nicht allein von der Natur handeln, sondern eher von der Einordnung des Menschen in diese Wildnis und die Selbstbetrachtung des Menschen nach der Auseinandersetzung mit der Natur. Die Waldszenen sind sicherlich kein objektiver Ausflug in die Natur, sondern eine äußerst persönliche Reaktion auf diese imaginierte Landschaft; und ebenso bemerkenswert ist der Eindruck, dass die Stücke jeweils nur ein Bruchstück einer größeren Erfahrung repräsentieren, sozusagen einen klanglichen Schnappschuss darstellen.
Die spieltechnisch nicht zu hohe Anforderungen stellenden Stücke bezaubern durch ihre liedhafte Poesie und sind ein Juwel hausmusikalischen Musizierens der Romantik. Durch die beiden umrahmenden Stücke „Eintritt“ und „Abschied“ lässt Schumann den Eindruck eines Waldspaziergangs entstehen. Die so geschaffene bogenförmige Konzeption lässt er in den Stücken musikalisch ein. Auch achtet er auf eine ausgewogene Balance zwischen Wald- und Jagdstücken und gestaltet die Tonartenfolge der neun Stücke planvoll symmetrisch. Im tonmalerischen Bereich verwendet Schumann traditionelle Topoi: vom Gesang der Vögel über das Rauschen der Blätter und das Plätschern der Quellen bis hin zum Jagd- und Hörnerklang. Schumanns Waldszenen erzählen vom Wald nicht nur als harmonisierenden Rückzugsort; mitunter warten im Grünen auch Gefahr und Schrecken: Mit bedrohlichen Klängen liegt hier der "Jäger auf der Lauer", melancholisch neigen sich "Einsame Blumen".
Schriftsteller wie Oscar Wilde und Hermann Hesse liebten die Komposition und verstärkten ihre Berühmtheit noch: Wilde etwa erwähnt die Waldszenen bewundernd in einer Passage seines Romans "Das Bildnis des Dorian Gray". Und Hesse ist besonders angetan von dem kleinen Stück "Vogel als Prophet", das er als "hold und geheimnisvoll" beschreibt.
Unser heutiger Mitschnitt kommt aus den USA: David Kadouch spielte Schumanns Waldszenen am 23. November 2014 im Aventura Arts and Cultural Center
in Florida:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler