Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
unser heutiges Musikstück zählt wieder einmal zu den eher unbekannten Werken: die Sinfonietta von Francis Poulenc.
Man hat Francis Poulenc als Mönch bezeichnet, aber auch als Gassenjungen, denn seine Musik pendelte zwischen den Extremen: dem lausbübisch-ironischen und dem religiös-meditativen. Am meisten geschätzt wurden seine unterhaltenden Suiten, Stücke im Kleinformat und konzertanten Werke. Sein Temperament rief eher Eleganz als Tiefsinn hervor. Der architektonisch tiefsinnigen Sinfonie kam er nie näher als mit seiner Sinfonietta (1947), die hinsichtlich ihrer Spielzeit mit vielen voll ausgewachsenen Sinfonien vergleichbar ist.
Auch die Sinfonietta ist aber eine helle und unterhaltende Musik im Geiste Haydns, vom heiteren Esprit in Bizets jugendlich vitaler C-Dur-Sinfonie nicht weit entfernt. Der Komponist erschrak selbst ein wenig, als er das leichtsinnige und humoristische Ergebnis sah, und meinte, er hätte sich vielleicht "für sein Alter etwas zu jung angezogen..." . Poulenc war bereits 48 Jahre alt und hatte den Auftrag bekommen, ein mehrsätziges Orchesterwerk für die Feier anlässlich des zehnjährigen Bestehens des BBC Third Programme zu schreiben. Aus dem Gedächtnis rekonstruierte er schnell jenes Streichquartett, das er kurz vorher dem Pariser Abwassersystem übergeben hatte, und machte daraus eine glänzende Sinfonietta. Das Werk wurde am 24. Oktober 1948 vom Philharmonia Orchestra in London unter der Leitung von Roger Désormière uraufgeführt.
Äußerlich folgt die Sinfonietta dem traditionellen Muster einer viersätzigen Sinfonie, bringt allerdings nicht das vielfältige Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Motiven, Themen und Sätzen mit, was für die sinfonischen Werke des 19. Jahrhunderts noch von essenzieller Bedeutung war. Vielmehr reiht Poulenc die verschiedenen musikalischen Charaktere lose, aber organisch aneinander. So entsteht eine Musik voller Leichtigkeit, wie ein Sommerwind, die manchmal ein wenig nach Mozart oder Tschaikowsky klingt oder auch nach Strawinsky. Der Kopfsatz beginnt kraftvoll, gefolgt von kontrastierenden melodischen Elementen. Der zweite Satz wiederum hat den Charakter eines Scherzos mit einigen kurzen misterioso-Momenten und weist eine Ähnlichkeit mit dem letzten Satz von Poulencs Ballettmusik "Les Biches" auf. Das besinnliche Andante bildet in seiner Sanftheit einen Ruhepol innerhalb des Werks und präsentiert ein weitgespanntes melodisches Thema, während das frisch-fröhliche Finale eine Antwort auf die Frage sein könnte, wie es klingen würde, wenn ein Joseph Haydn mal in einem Varieté fröhlich die Nacht durchgefeiert hätte.
Drei Mitschnitte stelle ich Ihnen heute gerne zur Auswahl, zunächst mit dem Swedish Chamber Orchestra unter der Leitung von Nathalie Stutzmann, aufgenommen am 7. November 2013 im Örebro Konserthus in Schweden:
Der zweite Mitschnitt kommt aus Hamburg. Bei seinem "Geisterkonzert" mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester am 27. November 2020 dirigierte Paavo Järvi Francis Poulencs "Sinfonietta" im Großen Saal der Elbphilharmonie. Das Konzert fand aufgrund der Corona-Pandemie ohne Publikum statt:
Der letzte Mitschnitt stammt aus dem hr-Sendesaal in Frankfurt, das hr-Sinfonieorchester musizierte am 13. Januar 2022 unter der Leitung von Alain Altinoglu - ebenfalls ohne Publikum:
Ihnen allen ein schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler