Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
heute erwartet Sie ein Musikstück, das den Streichern in zahlreichen Orchestern schon Schweißausbrüche bereitet hat - weil es wirklich schwer im Zusammenspiel ist: Die Ouvertüre zur Oper "Die verkaufte Braut" von Bedřich Smetana.
In die idyllisch-patriarchalische, aber nicht sonderlich gütige und gerechte Welt des ländlichen Böhmens führt das komische Singspiel von Bedřich Smetana. Es entstand in den Monaten vor Ausbruch des preußisch-österreichischen Krieges, wurde am 30. Mai 1866 im Prager Interimstheater uraufgeführt und ist bis heute ein Exportschlager.
Nach etlichen beruflichen Fehlschlägen mühte sich der 40-jährige Chorleiter, Musikpädagoge und Musikkritiker Bedřich Smetana mit einer großen Historienoper zur Landesgeschichte ab. Anfang 1866 errangen „Die Brandenburger in Böhmen“ die lang ersehnte Anerkennung. Das Libretto stammte vom radikaldemokratischen Journalisten Karel Sabina. Das erfolgreiche Tandem schob rasch eine weitere Arbeit nach, die bereits knapp zwei Jahre zuvor konzipiert worden war. Das komische Singspiel "Die verkaufte Braut" erwies sich bei der Uraufführung als weniger erfolgreich.
Es dürfte am Plot gelegen haben. Der kreist um Mařenka, die Jeník liebt, von dessen Herkunft man nichts weiß und von dessen Zukunft man sich nichts verspricht.
Die Tochter armer Bauern ist allerdings schon Vasek, dem Sohn des Gutsbesitzers Mícha aus zweiter Ehe, versprochen. Doch statt Vasek tritt der Heiratsvermittler Kecal in Aktion. Der bewegt Jeník für die stolze Summe von 300 Gulden dazu, sein Liebchen abzutreten - vorausgesetzt, sie heiratet keinen anderen als Michas Sohn. Und Mařenka redet dem sprachbehinderten Vašek ein, eine andere liebe ihn. Als Komödianten ins böhmische Dorf kommen, verliebt sich Vašek tatsächlich in eine Tänzerin und springt für den wegen eines Vollrauschs dienstuntauglichen Zirkus-Bären ein. Er blamiert sich und macht damit den Weg frei für Jeník, den einst vom Hof verjagten Sohn aus erster Ehe. Die Braut gelangt in die „richtigen Hände“.
Das später meistgefeierte Bühnenwerk Smetanas war und blieb ein Dokument rückständiger Lebensumstände an der Peripherie des Habsburger Reichs, kein Silberstreif am Horizont der gesellschaftlichen und Frauenemanzipation. Neuere Inszenierungen haben mit drastischer Akzentuierung der Gewaltverhältnisse zwischen den Geschlechtern und Bratpfannen-Prügelorgien gegengesteuert - oder mit ironischen Hinweisen auf die Veränderungen des Erotikmarkts durch moderne Kommunikationsmittel seit Kecals Tagen. Trotz der Handicaps des Singspieltextes - oder gerade auch ihretwegen - avancierte die "Prodaná nevĕsta" grenzüberschreitend zum Publikumsliebling. Die schnöde Geschichte spielt wahre Liebe gegen die von der regulierenden Kraft des Geldes bestimmte aus.
Von Anfang an aber waren die „eigentlichen Bräute“ die Folklore und die Idee der mit dieser zu erweckenden tschechischen Nationalkultur. Diese „Doppelhochzeit... trug wesentlich zu Smetanas Ernennung zum Ersten Opernkapellmeister des Interimstheaters im September 1866 bei. Damit nahm er eine der renommiertesten Positionen im Prager Musikleben ein.“ So resümiert es die dem tschechischen Nationalstolz verpflichtete wissenschaftliche Publizistik bis heute. Smetana hat dann weiter mit Sabina nicht mehr zusammengearbeitet. Der wurde als Mitarbeiter der Staatssicherheitsbehörden enttarnt - die Darstellungen über Ausmaß und Härtegrad der Denunziationen gehen weit auseinander. Der verratene verräterische Vater der „Verkauften Braut“ fiel ins Nichts und verhungerte. Vielleicht konnte nur einem wie ihm die schäbige Intrige von der verschacherten jungen Frau einfallen...
Hier nun also die Ouvertüre zu Bedřich Smetanas "Die verkaufte Braut", zunächst in einem Konzertmitschnitt aus der Kölner Philharmonie vom 17. Juni 2018 mit dem Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin:
Zum Vergleich noch ein Mitschnitt aus diesem Jahr mit der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung von Jakub Hrusa:
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler